Interview mit Prof. Byran McLaughlin
„Es gibt Menschen, denen schadet es, zu viele schlechte Nachrichten zu hören,“ so Byran McLaughlin, der zu Doomscrolling und Nachrichtenkonsum forscht. Sie empfinden dann mehr Angst, Stress und Unruhe. Wer dagegen Achtsamkeit praktiziert, kann konstruktiver auf Negativnachrichten reagieren und Emotionen besser regulieren.
Das Gespräch führte Maria Köpf.
Frage: Sie haben im Jahr 2022 eine korrelative Studie zum Nachrichtenkonsum abgeschlossen. Was haben Sie herausgefunden?
McLaughlin: Wir haben 800 Teilnehmer:innen zu ihrer Mediennutzung und zu ihren Emotionen danach befragt. Dabei stellten wir fest: Menschen, die eher ängstlich sind, neigen dazu, zu viele Nachrichten konsumieren. Und da die Nachrichten heutzutage viele aufwühlende und negative Inhalte transportieren, setzen sie sich vermehrt schlechten Meldungen aus.
Umgekehrt fühlten sich Menschen, die intensiv auch soziale Medien nutzten, danach noch ängstlicher, empfinden mehr Stress oder hatten mehr Kopf- oder Rückenschmerzen. Eine direkte Korrelation zwischen Gesundheit und Medien ist schwer nachzuweisen. Zu wissen, ob die Ängstlichkeit schon vorher da war und in welchem Maße sie proportional zunimmt, ist bei einem experimentellen Versuch schwer zu beweisen. Aber rein korrelativ sahen wir einen verstärkenden Effekt.
Wie sah dieser sich verstärkende Effekt aus?
McLaughlin: Es ist nicht nur der Konsum schlechter Nachrichten, der dazu führt, sich danach bedrohter oder ängstlicher zu fühlen. Schon beim Hören und danach wird permanent über die Bedrohung nachgedacht, die wir aus den Nachrichten herauslesen. Das kann sich gegenseitig verstärken.
Ich habe eine Studie aus dem Jahr 2016 gefunden. Hier stellte man einen abschwächenden Effekt fest, wenn Menschen immer wieder mit demselben belastenden Thema konfrontiert wurden.
McLaughlin: Ich denke, das hängt von der Person ab. Manche erleben einen abstumpfenden Effekt, bei anderen verstärkt sich der Effekt. Wenn gesunde Menschen wiederholt schlechte Nachrichten hören, zeigt sich in der Regel eben diese abschwächende Wirkung. Das sehen wir beim Ukrainekrieg: In den USA waren viele Menschen anfänglich sehr besorgt und gestresst hierüber, aber inzwischen hat man sich daran irgendwie gewöhnt. Das Thema ist nicht mehr so neu.
Welche für Charaktere neigen dazu, sich gut anpassen zu können?
McLaughlin: Wir haben herausgefunden, dass Menschen, die achtsamer sind und stärker im Hier und Jetzt bleiben können, weniger wahrscheinlich intensiv Nachrichten konsumieren. Und dass sie sich weniger leicht darin verstricken.
Sie scheinen die Fähigkeit zu haben, ihre Form des Umgangs anzupassen. Wenn sie merken, es beeinflusst sie negativ, reduzieren sie ihren Kontakt dazu. Bei Menschen, die Medien exzessiv konsumieren und emotional eintauchen, werden die Effekte umso stärker, je mehr sie die Medien nutzen.
Die Dinge sind nicht so schlecht, wie es die Nachrichten erscheinen lassen.
Was hilft noch, um sich nicht zu sehr in negativen Nachrichten zu verfangen?
McLaughlin: Eine Reihe von Dingen kann helfen. Anstatt sich durch die Meldungen konstant bedroht zu fühlen, neigen achtsame Menschen dazu, sich zu sagen: „Alles ist in Ordnung, ich bin hier sicher. Die Dinge sind nicht so schlecht, wie es die Nachrichten erscheinen lassen.“
Menschen, die mehr Achtsamkeit praktizieren, machen sich während des Konsums immer wieder deutlich, dass das nicht ihr reales Leben beeinflusst. Während Menschen, die schnell in Stress und Sorgen verfallen, sich durch nicht selbst erlebte Nachrichten genauso beeinflussen lassen wie durch reale Lebensereignisse. Sie verfangen sich schneller im Gefühl, dass unsere Welt negativ sein muss.
Können Sie den Effekt beschreiben, den nicht selbst erlebte Ereignisse auf die Psyche haben ?
McLaughlin: Wenn du einen Kinofilm siehst, weißt du natürlich, dass das nicht real ist. Doch unser Kopf lässt uns durch Spiegelneuronen und ähnliche Mechanimsen in die Perspektive anderer Menschen eintauchen. Das bringt uns dazu, ähnliche Gefühle wie etwa das Opfer eines Anschlags zu entwickeln.
Dieser Unterschied fällt uns spätestens wieder auf, wenn der Kinofilm vorbei ist, dann treten wir von der Erfahrung zurück und sagen: „Ach, das war nur ein Kinofilm.“ Ähnlich geht es uns mit Nachrichten.
Doch wenn wir sie exzessiv konsumieren, wird es offenbar immer schwieriger, sich den Gedanken vor Augen zu führen, dass das nur eine Nachricht ist. Die negativen Neuigkeiten beginnen, unser Denken und Verhalten zu beeinflussen. Wir beginnen, diese Sorgen mit uns herumzutragen.
Nachrichten zu meiden ist keine Lösung. Wir brauchen auch Mitgefühl.
Welche Menschen neigen besonders dazu, „News“ als quasi-real in ihr Leben einzubauen?
McLaughlin: Gerade Charaktere, die eine sehr hohe Begeisterungsfähigkeit für bestimmte Themen haben und Gedankenspiele um Themen ranken, scheinen eher gefährdet für negative Effekte. Sie denken konstant an Dinge, die sie erfreuen oder besorgen, können sich gut in fremde Personen und Situationen hineinversetzten – es sind einfach Menschen, die einen höheren Bedarf an Kognition haben. Und sie tendieren dazu, sich sehr umsichtig um künftige Entwicklungen zu sorgen. Dadurch können sie durch bedrohliche Ereignisse und Meldungen eher beeinflusst werden.
Glauben Sie, dass es auch wichtig sein könnte, Nachrichten zu hören oder zu lesen, um sein Mitgefühl für andere Menschen in der Welt zu kultivieren – um vom Schicksal anderer berührt und womöglich zum Handeln angeregt zu werden?
McLaughlin: Ich stimme zu, dass es keine wünschenswerte Lösung ist, Nachrichten grundsätzlich zu meiden. Wir Forscher sind vielmehr der Meinung, dass viele Menschen ein gesünderes Verhältnis zu Nachrichten entwickeln müssen.
Zu einer gesunden Beziehung gehört es, sich darüber zu informieren, was in der Welt vor sich geht, und sich für Themen zu engagieren, die man als wichtig erachtet. Viel Gutes entsteht, wenn Menschen Mitgefühl und Empathie für diejenigen entwickeln, die Hilfe brauchen.
Aber es ist auch ein Gleichgewicht erforderlich. Menschen, die sich zu sehr mit den Nachrichten beschäftigen, können die Perspektive verlieren. In den USA zum Beispiel können Menschen, die sehr viel Nachrichten konsumieren, zur Überzeugung gelangen, dass Leute, die eine andere politische Meinung vertreten, böse sind.
Anstelle von Mitgefühl empfinden sie dann Verachtung. Wenn Menschen von Angst oder Wut überwältigt werden, kann es ihnen schwerer fallen, die Nachrichten richtig wahrzunehmen und darauf zu reagieren.
Wenn man versteht, wie sich die Nachrichten auf einen auswirken und welche Gewohnheiten man im Umgang mit den Nachrichten hat, kann man etwas mehr Ausgewogenheit erreichen. Je mehr Perspektiven und Ausgewogenheit sie haben, desto eher können Sie Ihre Sorgen richtig einschätzen und auf produktive Weise reagieren.
Was erforschen Sie derzeit noch?
McLaughlin: Wir vermuten, dass „nicht-achtsame“ Menschen sich eher in Konflikte stürzen und auf der körperlichen Ebene höhere Entzündungswerte haben. Anders herum zeigen achtsame Menschen entsprechend weniger diese Korrelation. Wir arbeiten gerade an einer zweiten Studie, um diese Verbindung zu überprüfen. Interessant wäre auch zu wissen, welche Art von Nachrichten Menschen am meisten beeinflussen.
Byran McLaughlin ist außerordentlicher Professor an der Texas Tech University. Er forscht zu politischer Kommunikation, Medieneffekten und sozialer Identität. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Wirkung des Nachrichtenkonsums auf die körperliche und geistige Gesundheit.