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Wirtschaft und Ethik: Reden ist seliger als Tun

Foto: Steffen Honzera
Foto: Steffen Honzera

Eine Glosse von Andreas Hilmer

Bei der Ethik geht es doch um´s Reden, oder nicht? Der Journalist Andreas Hilmer nimmt in seiner Glosse die Wirtschaft auf´s Korn. Starbucks etwa verkündet, “nach ethischen Grundsätzen zu arbeiten”, VW will “anständiger werden”. Handeln ist silber, Reden ist gold, findet Hilmer.
Neulich wollte ich mal ganz konsequent Plastik sparen und unverpackte Seife im Reformhaus kaufen. Wegen dem Mikroplastik im Meer usw. Zu Hause las ich das Kleingedruckte meiner Schafsmilch-Rosenblätter-Seife, die schön roch und wenig verpackt war: Hauptbestandteil war Palmöl. Die Meere bleiben jetzt sauberer, dafür ist der indonesische Regenwald dran!

Eigentlich braucht´s nicht viel, um gut zu sein. Oft reicht schon die Verpackung. Schwachstellen in Firmen werden gern „Herausforderungen“ genannt, gerade beim Thema Nachhatltigkeit ist ja weniger mehr. Diese Wahrheit haben wir Bürgerinnen und Bürger bei Plastiktüten in den letzten Monaten verinnerlicht. Und auch die Industrie ist ja lernfähig – vor allem in der Theorie!

Gerade in Konzernzentralen weiß man: Die Verpackung macht´s. Und seien wir mal Wirtschafts-ehrlich: Tiefer muss Nachhaltigkeit meist nicht gehen. Firmen und Konzerne sind da neuerdings knallhart. Sie setzten erstmal einen Nachhaltigkeits-Manager ein. Schon das ist eine fette Pressemitteilung auf Umweltpapier wert. Motto: Wenn man Umweltschutz und all das Gedöns gut verpackt, muss man erst mal nicht mehr tun. Darüber reden reicht oft schon. Green-writing quasi!

Zum Beispiel Starbucks, die omnipräsente Bordstein-Kaffee-Schleuder: Starbucks behauptet einfach, dass man dies, das und jenes für die Gesellschaft und Umwelt tue und muss das dann gar nicht beweisen. Es zählt für die meisten Koffein-Junkies ja eh erst einmal das geschriebene Wort.

Mit Startbucks die Welt retten

So heißt es auf der Website des Unternehmens: „Wir glauben, dass wir dann Erfolg haben, wenn wir unsere Geschäfte nach ethischen Grundsätzen abwickeln und verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.“

Mit Starbucks die Welt retten? Wer das kleingedruckte Motto hinter den ethisch aufgeheizten Kaffeemaschinen genauer liest, weiß, dass der Konzern erstens auf Profit setzt, zweitens vor allem Geld verdienen will und drittens mit allen Tricks dafür sorgt, dass die Dividende stimmt.

Für die drei Ziele Geld, Moneten und Dividende setzt man gern auch Mitarbeiter ein klein wenig unter Druck und nutzt Steuertricks, bis sich die Zahlen biegen. Aber: Ihm liege die Umwelt so sehr am Herzen, so Howard Schultz, der Gründer. Dass seine Kaffeebecher nicht recyclebar sind – wen kümmert´s? Motto: Wir arbeiten dran. Versprochen!

Auch VW hat (jetzt) plötzlich einen klaren Wertekompass. „Volkswagen muss in diesem Sinne ehrlicher, offener, wahrhaftiger, in einem Wort anständiger werden“, dröhnt es voll triefender Reue und schwitziger Angst aus der Konzernzentrale. So las man es in den Zeitungen.

Große Worte. Noch größere Anzeigen. Die Umsetzung aber versank dann im Nebel des Alltags. Geschrieben stand ja: „Es ginge VW um Recht und Gesetz. Ehrensache“. Nachweise, dass sie es auch umsetzten? Fehlanzeige. Warum auch, wenn man doch plakatiert, dass man es ernst meint, wird es schon stimmen. Reden ist heiliger als Tun.

Wenn ich Auto fahre, Kaffee trinke, einkaufe, dann brauche ich also kein schlechtes Gewissen mehr zu haben. Ich weiß ja, eigentlich retten Starbucks und Co. mit mir die Welt. Irgendwie. Das zumindest haben sie mir aufgeschrieben. Also hoch die nicht abbaubaren Becher, auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz!

Und Fakten? Die sind doch nur der neidische Feind des mich umschmeichelnden schönen Scheins. Und wer will nicht gern von sanfter Werbebotschaft eingedieselt in den Tiefschlaf gebechert werden. Wirtschaft und Ethik 2018: Reden ist eben viel mehr als das schnöde Tun! Ethisches Verhalten ist Silber, es Behaupten aber ist Gold.
Andreas Hilmer

P.S. Diese Glosse ist biologisch abbaubar. Der Inhalt zerstört sich quasi selbst nach dem Lesen. Und beim Leser bleibt nix nach. Das schlechte Gewissen ist beim Durchschnittskonsumenten nach ca. zehn Minuten weg, und etwaige allgemeine Nachdenklichkeit löst sich dank eingebautem Gedanken-Schredder nach ca. zwei Tagen wieder im Grundrauschen des Alltags auf.

Andreas Hilmer arbeitet als freier Journalist und Filmemacher für Redaktionen der ARD (Panorama, Tagesthemen, Weltspiegel). Er schreibt und fotografiert als Reporter für Zeitungen und Magazine (u.a. GEO, DIE ZEIT). Zu seiner Website

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Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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