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Dalai Lama über Ethik

Foto: Jens Nagels
Foto: Jens Nagels

Ethik heißt, die Interessen der anderen zu achten

Der Dalai Lama versteht unter ethischem Verhalten, dass man sich im Denken und Handeln an den Interessen anderer orientiert und Selbstbezogenheit aufgibt. Im folgenden Beitrag erklärt der Friedensnobelpreisträger es näher.

Ethik hängt für mich sehr stark mit Warmherzigkeit zusammen, darunter verstehe ich ein Interesse am Wohlergehen anderer. Wir sehen, dass es keinen Unterschied zwischen anderen und mir in der Hinsicht gibt, dass sie Lebewesen sind, die Glück wünschen und kein Leiden. Die anderen wie unsere Brüder und Schwestern zu sehen, darum geht es bei der Ethik.

Wir sind soziale Wesen, und mein Glück hängt maßgeblich von der Gemeinschaft ab. Denn wir sind Teil des Ganzen. Die anderen sind die eigentliche Quelle für unser eigenes glückliches Leben. Wenn wir Fürsorge für andere in uns tragen und ihre Bedürfnisse anerkennen, dann gibt es keinen Raum für Ausbeutung, Schikane, Täuschen, Lügen. Wir übernehmen aus freien Stücken Verantwortung für ihr Wohlergehen.

Warmherzigkeit und Fürsorge für andere sind der Schlüssel. Das müssen wir nicht künstlich hervorbringen, wir tragen sie als Menschen in uns, und zwar seit der Geburt. Denn wir haben, sobald wir auf die Welt kamen, ein Höchstmaß an Liebe und Zuneigung von unserer Mutter empfangen.

Dieser biologische Faktor ist von Anfang an da, ja, nur durch die Liebe der Mutter konnten wir überleben. Diese Erfahrung ist tief in uns, in unserem Körper, unseren Genen, und jeder hat diesen Samen in sich. Die Frage ist, wie wir diesen Samen zum Blühen bringen können.

Alle Menschen als Teil des Ich sehen

Das Denken „Ich, Ich, Ich“ sollte ersetzt werden durch das Denken in größeren Zusammenhängen, größeren Gemeinschaften. Die Europäische Union ist ein gutes Beispiel für diesen Spirit. Wir brauchen das „Große Wir“ („Big We“), ja die ganze Welt, die sieben Milliarden Menschen müssen als Teil des Ich gesehen werden.

Dann gibt es keinen Raum für Kriege und für Ausbeutung. Wir respektieren alle, sie sind unsere Brüder und Schwestern. Sie sollten alle die gleichen Rechte haben, ihren Anteil am Wohlstand. Diese Wertschätzung füreinander ist das, was unsere Welt trägt, ob es in der Wirtschaft, in der Religion, in der Erziehung ist. Das ist der Schlüssel.

Die Wertschätzung füreinander, das moralische Verhalten hat im Übrigen nichts mit Religion zu tun. Die Religion ist Privatsache, aber die Ethik betrifft die ganze Menschheit. Wir sind durch dieses Gefühl der Verbundenheit geboren und sollten unser Leben lang dieses Gefühl beibehalten. Dann gedeihen Selbstdisziplin, Respekt ganz von allein, und wir würden gar nicht auf die Idee kommen, andere zu täuschen oder auszubeuten. Der Dalai Lama

Langfassung dieses Artikels (pdf-Format)

Unsere Artikel „Basiswissen Ethik“ im Überblick

Weitere Artikel zur Ethik:

“Wir denken zuerst reflexartig an uns selbst”, Interview mit dem Philosophen Jay Garfield

Gefühle öffnen uns für andere, Gedanken zur Ethik von der Philosphin Heidemarie Bennent-Vahle

“Werte kommen aus innerer Erfahrung”, Interview mit Professor Harald Walach, klinischer Psycho­loge, Philo­soph und Wissen­schafts­his­toriker

 

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