Neu: Ethik Quiz – Testen Sie Ihr Wissen

Das Gute im Gehirn verankern

Sebastian Kaulitzki/ Shutterstock
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Interview mit dem Neuropsychologen Rick Hanson

Gelassener und zufriedener leben, aber wie? Der Neuropsychologe Rick Hanson verrät im Interview, wie wir gute Erfahrungen in uns aufnehmen und langfristig im Gehirn verankern können.

Das Gespräch führte Michaela Doepke.

Frage: Wie können wir das eigene Gehirn gezielt positiv beeinflussen?

Rick Hanson: Wir können unsere Gehirnstrukturen entweder positiv oder negativ beeinflussen. Dabei gibt es zwei Stufen: Zum einen können wir entscheiden, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Zum anderen haben wir die Wahl, was wir machen, wenn wir unsere Aufmerksamkeit ausgerichtet haben.
Die meisten von uns können ihre Aufmerksamkeit aus verschiedenen Gründen – Evolution, Temperament, frühe Erlebnisse oder kulturelle Einflüsse – nicht besonders gut steuern. Deshalb ist Achtsamkeitstraining so wichtig.
Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten und was wir damit machen ist ein Prozess, der aus zwei Stufen besteht. Diese entsprechen der Neuropsychologie des Lernens, wobei neue neuronale Strukturen durch mentale Aktivität entstehen können.
Dieser Prozess beinhaltet als erstes, dass ein bestimmter mentaler Zustand aktiviert wird, der einem neuronalen Zustand entspricht. Zweitens, dass dieser als neuronale Struktur abgespeichert wird. Ansonsten läuft dieser Geisteszustand – sei es ein Gedanke, Gefühl, Hoffnung oder Kummer – durch das Gehirn hindurch, ohne es zu prägen. Er wirkt nicht ein. Dies trifft sowohl auf Positives als auch auf Negatives zu.

Die Negativtendenz des Gehirns durchbrechen

Unser Gehirn wirkt wie ein Magnet für negative Erfahrungen und wie Teflon für positive. Es hat eine ausgeprägte Negativitätstendenz. Das heißt, es verankert sehr schnell negative Geisteszustände im Gehirn.
Das Gehirn ist dagegen relativ ineffektiv, wenn es darum geht, positive Zustände zu speichern. Und das obwohl das dies die wichtigste Quelle von innerer Stärke, Glück, liebender Güte und Achtsamkeit ist. Leider ist das Gehirn nicht gut in diesen positiven Kräfte und braucht deshalb Unterstützung.

Sie haben ein neues Übungsprogramm entwickelt, wie man Gute in sich aufnehmen und im Gehirn verankern kann. Wie funktioniert das?

Rick Hanson: In meinen Kursen lernen die Teilnehmenden, wie man das Gehirn durch diesen Zwei-Stufen-Prozess verändern kann. Zuerst aktiviert man einen hilfreichen Geisteszustand. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie sind in der Gesellschaft eines Freundes, von dem Sie sich freundlich behandelt und umsorgt fühlen.
Oder stellen Sie sich vor, dass Ihre Katze auf Ihren Schoß springt und Sie dadurch ein wohliges Gefühl erleben. Oder kreieren Sie ein positives Gefühl, in dem Sie bewusst an etwas denken wie zum Beispiel Mitgefühl, Güte oder das körperliche Gefühl, stark und entschlossen zu sein.
Egal wie Sie das machen, Egal wie Sie das machen, Sie benötigen in der ersten Aktivierungsphase den Aufbau von neuronalen Strukturen – einen Geisteszustand. Es reicht jedoch nicht aus, diesen nur zu aktivieren. Die meisten positiven Geisteszustände wie Momente der Erfüllung oder Liebe werden vom Gehirn nicht genutzt. Sie haben keine nachhaltige Wirkung. Aus diesem Grund braucht das Gehirn etwas Unterstützung, um die aktivierten Geisteszustände in andauernde neuronale Strukturen umzuwandeln.

Positive Zustände nachhaltig verankern

An diesem Punkt setzt mein Trainingsprogramm an. Darin vermittle ich die grundlegende Neuropsychologie des emotionalen Lernens, den ich abgekürzt HEAL nenne. H steht für „Have“ – haben, also diese positive Erfahrung erst zu machen, E für „Enrich it“ – reichere sie an, A für „Absorb“ – nimm sie in dich auf. Das bedeutet, dass wir unser Gedächtnis ausrichten und sensibilisieren können, indem wir nachspüren, wie das Erlebte in uns einwirkt. L steht für „Link“, also Verbindung.
Die ersten drei grundlegenden Schritte im HEAL Prozess geben eine praktische Anleitung, wie man positive Strukturen im Gehirn aufbauen kann. Ich vergleiche diesen Prozess mit dem Feuermachen: Zuerst zündet man das Feuer an. Im zweiten Schritt – anreichern – legt man Holz auf das Feuer, damit es gut weiter brennt.
Im dritten Schritt – absorbieren – wärmt man sich am Feuer. Durch diese Schritte können Menschen im Alltag flüchtige Erlebnisse in etwas verwandeln, das lang anhaltenden Wert hat.
Der vierte Schritt im HEAL Prozess ist optional. In diesem wirkungsvollen Verbindungsschritt sind wir uns sowohl des Positiven als auch des Negativen gleichzeitig bewusst. Dadurch kann es gelingen, dass die positive langsam die negative beruhigt und schließlich sogar ersetzt. Die positive Erfahrung muss dabei etwas stärker und intensiver als die negative Erfahrung sein. Die Idee basiert auf dem berühmten Spruch aus der Neurowissenschaft „ Neuronen, die zusammen feuern, verdrahten sich.“ …

Nehmen Sie sich 10 bis 20 Sekunden Zeit

Wieviel Übung ist notwenig?

Wie bei allen Dingen ist es gut, die Details zu kennen, aber die Essenz ist wirklich sehr einfach. Wir wissen alle, wie wir das Gute in uns aufnehmen können, so dass wir etwas von dauerhaftem Wert in uns tragen. Sich die extra 10 bis 20 Sekunden Zeit zu nehmen, um eine positive Erfahrung wirklich einwirken zu lassen. Je mehr desto besser. Das Gehirn ändert ständig seine Struktur und Funktion.
Die Forschung und auch meine eigene Erfahrung zeigen, dass diese Praxis eine große Wirkung haben kann. Was auch immer Sie lernen wollen, ob es Freundlichkeit ist oder Wissen darüber, wie man besser mit seinem Partner kommuniziert, – egal was man fördern will, der HEAL-Prozess kann einem helfen, dieses Lernen zu vertiefen.
Wenn Sie sich nur fünf Minuten am Tag Zeit nehmen, um das Gute aufzunehmen, dann hat es den Nebeneffekt, dass sie beginnen, sich auf das Positive zu fokussieren; sie suchen dann regelrecht danach. Es hilft Ihnen, im Leben präsenter zu sein.
Indirekt entwickelt man eine freundliche und unterstützende Haltung sich selbst gegenüber. Zudem wird man aktiv, anstatt passiv zu sein. Es gibt ein tibetisches Sprichwort: „Wenn du dich um die Minuten kümmerst, werden die Jahre für sich selbst sorgen.“ Das ist es, worüber ich rede.
Michaela Doepke

Hanson_Rick-webWeiterführende Informationen:
www.arbor-seminare.de
www.rickhanson.net

Bücher von Rick Hanson:
– Denken wie ein Buddha, Irisiana Verlag, München 2013

– Das gelassene Gehirn eines Buddha , Buch und CDs, Arbor Verlag, Freiburg 2013
Das Gehirn eines Buddha, Arbor Verlag, Freiburg 2010

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