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Die Jeansreise – eine etwas andere Meditation

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Über unsere Kleidung sind wir mit unzähligen Menschen dieser Welt verbunden. Jacomo Fritzsche ermöglicht mit seiner Achtsamkeitsmeditation, die Kleidung zu spüren und sich der Verbindungen bewusst zu sein.

 

Achtsamkeit ist als eine Übung bekannt, um in den gegenwärtigen Moment zu kommen und den Körper, die Gefühle und Gedanken bewusst wahrzunehmen. Doch wir können diese Praxis auch nutzen, um unser Konsumverhalten zu erkunden. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Bildung für nachhaltigen Konsum durch Achtsamkeitstraining“ entstand die Übung „Jeansreise“.

Es ist eine Einladung, sich einmal ganz einzulassen auf die Empfindungen der Kleidung auf der Haut. Und sich dann zu fragen, inwiefern wir über das Kleidungsstück in Beziehung zu einer Reihe unbekannter Menschen, Helferinnen und Helfer treten. Wenn man so das Bewusstsein für die Verbundenheit geschärft hat, kann man das eigene Konsumverhalten überprüfen und ggf. ändern.

 

Die Meditationsanleitung im Audioformat

 

Meditationsanleitung schriftlich

Setze dich aufrecht hin, schließe deine Augen oder fokussiere einen Punkt auf dem Boden vor dir.

Beobachte deine körperlichen Empfindungen, Gedanken und Emotionen, ohne Anstrengung und ohne diese verändern zu wollen.

Wo in deinem Körper kannst du deinen Atem am leichtesten spüren? Vielleicht an der Bauchdenke oder den Nasenöffnungen? Verweile für ein paar Momente, so gut es geht, mit deinem Gewahrsein beim Ein- und Ausatmen.

Nun dehne deine Aufmerksamkeit auf deinen ganzen Körper aus und spüre deine Kleidung auf der Haut, zum Beispiel deine Socken, Hose, T-Shirt, Oberteil. Welche Körperempfindungen signalisieren dir gerade, dass du Kleidung trägst in diesem Moment?

Welche Qualität haben diese Empfindungen? Kratzig, sanft, weich, hart?

Dehne nun dein Gewahrsein über deinen Körper und deine Kleidung aus und richte es all jene Menschen, die an der Herstellung deiner Kleidungsstücke beteiligt waren. Wer hat alles an der Entstehung mitgewirkt?

Was steigt in dir auf, wenn du dein Gewahrsein in diese Richtung ausdehnst und weitere Menschen miteinschließt, die an der Entstehung deiner Kleidung mitgewirkt haben? Wo kommt zum Beispiel die Baumwolle her, die dich gerade vor dem Wetter schützt? Wem können wir für die Entstehung der Kleidung danken? Wer ermöglicht es uns, dass wir morgens nach dem Aufstehen zum Schrank gehen und frische Kleidung herausnehmen können? Die Arbeiter auf den Baumwollfeldern in Asien? Die Menschen in den Fabriken in Osteuropa? Oder unsere Socken-strickenden Oma?

Stell dir dich selbst nun als Teil dieser Produktionskette vor, neben Fashion-Designerinnen, Feldarbeitern, Fabrikbesitzerinnen, Lieferanten, Ladenverkäuferinnen … dann Du als Konsument, als Konsumentin. Wie fühlt es sich an, Teil dieses Netzwerkes zu sein? Was löst diese Vorstellung aus, wie fühlt sich dabei dein Atem und Körper an?

Wenn du möchtest, lass nun etwas Wertschätzung in deinem Herzen aufsteigen, für all die offensichtlichen und versteckten Helfer und Helferinnen, die es dir ermöglicht haben, heute diese vielleicht modische, wärmende und bequeme Kleidung zu tragen.

Nun bringe abschließend dein Gewahrsein noch einmal zu deinem Atem und dem Gefühl der Kleidung auf deiner Haut. Lass nun alle Gedanken für einen Moment wieder los und entspanne dich so gut es geht, während du deinen Atem freundlich beobachtest.

Beginne, deine Augen behutsam zu öffnen und dein Gewahrsein wieder mehr nach außen zu richten. Nimm die Umgebung um dich herum wahr. Achte dabei auch einmal auf ihre Kleider und all die Menschen, die an der Herstellung dieser Kleider beteiligt waren.

Lesetipp: Kann Achtsamkeit die Lust am Konsum bremsen?

Jacomo Fritzsche hat Komplementärmedizin (B.Sc.) studiert und ist ausgebildeter MBSR-Lehrer (Mindfulness-Based Stress Reduction). Im Rahmen des BiNKA-Projektes war er federführend bei der Konzeption des konsumspezifischen Achtsamkeitstraining beteiligt. Aktuell arbeitet er als Geschäftsführer des „Institut für Achtsamkeit und Nachhaltigkeit“ in Berlin und bietet fortlaufend MBSR-Kurse an. Kontakt: fritzsche@ifan-berlin.de

 

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