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Die positive Kraft der Meditation

Foto: Johanna Wittig/ Photocase.de
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Erfahrungen einer Meditations- und Achtsamkeitslehrerin

Durch Meditation können wir unsere Persönlichkeit entwickeln und neue Lebensfreude gewinnen, so die Überzeugung der Meditations- und MBSR-Lehrerin Michaela Doepke. Sie berichtet aus ihrer Sicht, was säkulare Meditation und Achtsamkeitspraxis für uns selbst und unsere Gesundheit bewirken kann.
Wenn wir in der Meditation unseren Geist durch Achtsamkeit schulen, können wir wesentlich an unserer Persönlichkeit arbeiten. Wir können positive Geisteszustände kultivieren, das eigene Bewusstsein verändern und geistige Ruhe erlangen. Doch nicht nur das.
Dank neuer Studien der Gehirnforschung wissen wir heute, dass wir mit Achtsamkeitspraxis und Meditation sogar unsere körperliche und geistige Gesundheit langfristig erhalten und fördern können. Selbst in der Schulmedizin ist die Erkenntnis angekommen, dass wir durch die heilsame Kraft von Meditation und Achtsamkeit unsere Genesung positiv beeinflussen können. Daher halten beide heute sogar Einzug in Krankenhäuser. 1
„Die Meditation wirkt im Gehirn wie ein Jungbrunnen“, so Der Spiegel in einer Titelgeschichte 2013. Sie erhöhe die graue Substanz in Gehirnarealen, die für Aufmerksamkeit, Konzentration und Erinnerung wichtig sind.2 Sogar Alterungsprozesse sollen durch Meditation verlangsamt werden. Besonders die Forschungsaktivität zu achtsamkeitsbasierten Meditationen und Programmen hat in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Allerdings sind die Studien noch jung und die langfristigen Wirkungen sind noch nicht so bekannt.
Dennoch: In klinischen Studien konnten positive Wirkungen der erprobten MBSR-8-Wochen-Kurse nach Jon Kabat-Zinn zur „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ (Mindfulness Based Stress Reduction) bei der Behandlung von Stress, chronischen Schmerzzuständen, psychosomatischen Krankheiten und Burn-out nachgewiesen werden.
In Boston etwa testen Wissenschaftler in einer Studie Teilnehmer vor und nach dem achtwöchigen MBSR-Kurs im Kernspinntomografen. Das Ergebnis: Achtsamkeitstraining führt in nur acht Wochen zu strukturellen Veränderungen im Gehirn.
Andere Studien legen nahe, dass Achtsamkeitstraining zu einem erhöhten Körpergewahrsein, einer stärkeren Emotionsregulation und Flexibilität, zu weniger Stress, einer verbesserten Immunfunktion, einer Reduktion von Angstsymptomen und einem besseren Umgang mit Schmerz führt.3

Die Kunst, im Hier und Jetzt zu leben

Die populäre Achtsamkeitsmeditation, die in MBSR-Kursen gelehrt wird, basiert auf der buddhistischen Einsichtsmeditation, die säkular und unabhängig von Religion praktiziert werden kann und daher viele Menschen im Westen anzieht. Die Voraussetzung, um zu tiefen Einsichten zu gelangen: Wir müssen uns wieder Zeit für uns selbst nehmen und in Kontakt mit uns kommen. Bei uns selbst zu Hause sein und Innehalten.
Leider haben viele stressgeplagte Menschen im schnell getakteten Alltag diese wertvolle Fähigkeit, sich zu stabilisieren, verlernt. Viele tun sich schwer mit Rückzug, Stille und Besinnung und haben Angst vor der Konfrontation mit sich selbst. Als Zeitsklaven im hektischen Arbeits-, Konsum- und Alltagsleben gefangen, funktionieren wir häufig nur noch automatisch und drehen uns im Hamsterrad.
Immer geschäftig, hängen wir mit den Gedanken entweder in der Vergangenheit oder Zukunft, sind abgelenkt, überfordert, geistig abwesend und oftmals nicht zufrieden. In vielfach angebotenen Kursen zur Entschleunigung und Meditation müssen wir oft erst mühsam wieder erlernen, bewusst im Hier und Jetzt zu sein und innezuhalten, um uns zu spüren, wahrzunehmen und einen liebevollen Umgang mit uns selbst zu pflegen.
Leider kommen wir häufig erst durch starkes Leiden, Krankheit oder schmerzhafte Trennungen zur Einsicht, dass wir endlich Fürsorge für uns selbst übernehmen müssen. Besser wäre es, rechtzeitig Vorsorge zu treffen.
Auf einer Veranstaltung des Center for Mindfulness in München berichtete die Psychologin und Neurowissenschaftlerin Britta Hölzel von einer Studie über Gehirnforschung an der Universität Harvard, wonach Menschen die Hälfte der Zeit mit den Gedanken nicht bei dem sind, was sie tun. „Wissenschaftlich konnte belegt werden, dass die Probanden glücklicher und zufriedener waren, wenn sie im Moment präsent und bewusst bei dem sind, was sie tun“, so die Meditationsforscherin Hölzel.
Meditation heißt u. a., mit dem sein können, was ist. Achtsamkeit heißt sowohl „nicht-wertendes Gewahrsein des jetzigen Momentes“ als auch „sich erinnern, was heilsam ist“. Aber um sich zu erinnern, was heilsam ist und was mir und anderen nicht schadet, ist es zunächst wichtig, sich selbst zu erforschen. Meist erst nach vielen Sitzungen auf dem Meditationskissen wächst die Einsicht in universelle Wahrheiten und das Weisheitswissen, dass alles vergänglich ist, nichts beständig und wir am Ende nichts festhalten können, weder unsere Lieben noch unsere Scheckkarte.

Vom Wissen zur Weisheit

In tiefer Meditation entdecken wir, dass alles Anhaften und Klammern sinnlos ist und nur zu Frust führen muss, ebenso die Befriedigung unserer nie endenden Wünsche. Kaum besitzen wir, was wir uns so sehr gewünscht haben, schon ist das Objekt unserer Begierde uninteressant und eine neue Jagd beginnt. Wer diesen Mechanismus erkannt hat, kann endlich von seiner Getriebenheit loslassen und frei werden.
Meditation kann in einem längeren Selbsterfahrungsprozess auch zu dem Weisheitswissen führen, dass wir letztlich alle voneinander abhängig sind. Bei vielen Meditierenden erwächst mit der Übung natürlicherweise ein universelles Gefühl von Liebe und Mitgefühl mit den Lebewesen, die alle gleich sind in dem Wunsch, glücklich sein zu wollen. Sie entwickeln Gleichmut, sind im Einklang mit sich und der Welt und lernen, mit den Augen der Ganzheit zu sehen.
Mit zunehmender Einsicht entstehen ein ganzheitliches Bewusstsein und ein Gewahrsein von der Einheit des Lebens. Durch diese Sicht wird die oft leidvoll empfundene Trennung zwischen einem „Ich“ und „anderen“ aufgelöst und wir fühlen uns verbunden. – So der Idealfall.
Langfristig entwickelt sich durch meditative Innenschau auch ein ethisches Bewusstsein darüber, was mir und anderen schadet. Ich beginne zu verstehen: Trage ich zum Glück der anderen bei, wachsen Glück und Freude auch in mir selbst an. Viele Meditierende beginnen mit fortlaufender Praxis daher, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken, Verantwortung zu übernehmen und ihr Leben an ethischen Maßstäben und neuen Werten auszurichten. Das wäre die frohe Botschaft.

Saboteure und Hindernisse auf dem Weg

Doch um die Wohltaten der Meditation zu erfahren, müssen wir auch eine gute Absicht und Durchhaltevermögen aufbringen. Was sind die Saboteure und Hindernisse, sich auf das Meditationskissen zu setzen? „Um sich guter Gesundheit zu erfreuen, wahres Glück zu erfahren und allen Menschen Frieden zu bringen, musst du erst einmal den eigenen Geist disziplinieren und kultivieren“, lehrt der buddhistische Weisheitslehrer Lama Surya Das. Die Erwartungen an die Meditation stehen und fallen also mit dem eigenen Engagement.
Wer jedoch die Hürden nimmt, sich Zeit für die tägliche Übung und die Schulung von Bewusstsein und Persönlichkeit nimmt, wird am Ende reichlich belohnt. Wir machen die Beobachtung: Indem wir uns selber verändern, beginnen sich auch die Dinge und äußeren Situationen um uns herum plötzlich zu ändern.
Sind wir konzentriert, wach und präsent im jetzigen Moment, verändert sich das Empfinden von Stress und unser subjektives Zeitempfinden. Wir agieren nicht mehr im Autopilot. Wir machen die Entdeckung: Zeit findet im Kopf statt. Meditationskongresse wie kürzlich in Berlin künden etwa davon, dass Zeit subjektiv ist und sich in der Meditation ausdehnt und verlangsamt.

Positive Emotionen im Geist verankern

Meditation kann auch ein Weg sein, positive Emotionen stabil im eigenen Geist zu verankern und mit destruktiven Gefühlen zu arbeiten. Auch die Wissenschaft hat erkannt, dass Gefühle wie Optimismus und Zuversicht einen starken Einfluss auf die Gesundheit haben.
So konnte Tania Singer, Professorin am Max-Planck-Institut in Leipzig, in jahrelangen neurowissenschaftlichen Studien mit Langzeitmeditierenden nachweisen, dass Mitgefühlstraining wesentlich dazu beiträgt, die mentale Gesundheit und soziale Kompetenzen zu verbessern, Stress zu verringern, mehr geistige Klarheit und Resilienz zu erlangen, Lebenszufriedenheit zu steigern sowie sich selbst und andere besser zu verstehen.4
Inspirierend ist für viele Meditationsanfänger, dass Langzeitmeditierende wie etwa der Dalai Lama oder Mönche wie Matthieu Ricard oder David Steindl-Rast stets eine heitere Gelassenheit und inneren Reichtum ausstrahlen. Diesen Schatz im Inneren muss jedoch jeder für sich selbst entdecken und die Forschungsreise selbst antreten.
„Wir können uns auch im Alter noch verändern.“

Auch auf dem Gebiet der Neuropsychologie mehren sich die Anzeichen dafür, dass es möglich ist, unsere Gefühls- und Verhaltensmuster durch Meditationspraxis tiefgreifend zu verändern. Das von Rick Hanson entwickelte Trainingsprogramm „Selbstgesteuerte Neuroplastizität“ dient der gezielten Kultivierung positiver Geisteszustände5. „Wir können uns selbst im hohen Alter noch verändern“, ermutigt der Neuropsychologe und bekannte Autor des Bestsellerbuches „Gehirn eines Buddha“ Rick Hanson. Diese Veränderbarkeit des Gehirns nennt man Neuroplastizität. Das sind gute Aussichten für Menschen jeden Alters.
Michaela Doepke

Michaela DoepkeMichaela Doepke ist Meditationslehrerin, MBSR-Lehrerin, Buchautorin und Journalistin im Netzwerk Ethik heute. Mehr unter: www.michaela-doepke.de; www.center-for-mindfulness.de
Das Netzwerk Ethik heute bietet ab Januar Audio-Meditationen von Michaela Doepke. Hier geht es zur angeleiteten Meditation.

1 Spiegel, Nr. 21, 18.5.13 „Der heilende Geist. Medizin: Gesund durch Meditation und Entspannung“, S. 59
– Auf dem Kongress „Wissenschaft und Meditation“ im Oktober 2014 in Berlin stellte Peter Sedlmeier eine Meta-Studie zur Wirkung der Meditation vor.
– Studie: Carmody J, Baer RA. Relationships between mindfulness practice and levels of mindfulness, medical and psychological symptoms and well-being in a mindfulness-based stress reduction program. J Behav Med. 2008
– Ullrich Ott, Meditation für Skeptiker, Barth Verlag
2 Spiegel, Nr. 21, Mai 2013, „Heilen mit dem Geist“, S. 63
3 Vortrag der Meditationsforscherin und Neuropsychologin Dr. Britta Hölzel auf einer Veranstaltung des Center for Mindfulness München am 8.2.2014 über ihre Studie in Boston
4 www.compassion-training.org
5 Rick Hanson: Selbstgesteuerte Neuroplastizität. Der achtsame Weg, das Gehirn zu verändern. Buch und 3 CD`s,
Arbor Verlag
Buchtipps zur Wirkung von Achtsamkeit und Meditation:
Jon Kabat-Zinn: Gesund durch Meditation, O. W. Barth Verlag
Dalai Lama: Rückkehr zur Menschlichkeit, Lübbe Verlag
Zimmermann, Chr. Spitz, St. Schmidt (Hrsg.): Achtsamkeit, Huber Verlag

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Vielen Dank für diesen interessanten und informativen Artikel, Frau Doepke. Ich stelle im Gespräch mit meinen Mitmenschen immer wieder fest wie viele Vorurteile über Meditation und Achtsamkeit noch bestehen. Ihr Artikel trägt dazu bei, diese abzubauen.
Viele Grüße,
Andreas

Die Süddeutsche hat am 8.2.2015 auf ihrer Website den Artikel “Spuren im Kopf” über die Arbeit von Tania Singer veröffentlicht:
http://www.sueddeutsche.de/wissen/meditation-spuren-im-kopf-1.2339128

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