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Ein achtsamer Blick auf den Achtsamkeitshype

Foto: privat
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Ein Vortrag von Simon Schindler

Macht Achtsamkeit uns zu besseren Menschen? Dr. Schindler ordnet die Achtsamkeitsforschung kritisch ein und stellt eigene empirische Untersuchungen vor, die belegen, dass eine ethische Debatte notwendig ist.

Der Achtsamkeitshype kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Achtsamkeit nicht das Allheilmittel ist, für das viele es halten, so Dr. Simon Schindler in seinem Vortrag. Er nennt Begrenzungen in der Forschung und methodische Probleme. Im 2. Teil berichtet er über seine eigenen empirschen Untersuchungen zur Frage, ob Achtsamkeit moralisches Verhalten untergraben kann. Fazit: Wir brauchen eine ethische Debatte im Kontext der Achtsamkeit.

Den Vortrag “Mehr Moral und Nächstenliebe? Ein achtsamer Blick auf den Achtsamkeitshype ” hielt Dr. Simon Schindler 2. Juni 2022 im Rahmen eines Online-Abends, veranstaltet vom Numata-Zentrum für Buddhismuskunde der Universität Hamburg und dem Netzwerk Ethik heute.

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Wie kommt man eigentlich darauf, dass Achtsamkeit bzw. das Praktizieren von Achtsamkeit mehr Moral und Nächstenliebe erzeugt oder dass sie gar ein Allheilmittel sei?
Der Vortrag setzt dies ja offensichtlich voraus. Wie kommt es zu dieser (naiv) angenommenen Voraussetzung?

Vielen Dank für den Versuch einer Antwort!
Leider kenne ich den Zusammenhang zwischen Achtsamkeit, Buddhismus und Ethik nicht so genau.
Wie kommt es denn zu der Frage, “ob Achtsamkeit ethisch neutral ist oder Ethik als Basis braucht”? Warum sollte man sich das fragen?
Ich finde, Achtsamkeit “braucht” keine Ethik als Basis, aber Menschen – ob sie nun besonders achtsam sind oder nicht – brauchen für ein Zusammenleben miteinander eine Ethik als Basis.
Des Weiteren frage ich, warum ist “eine Achtsamkeit” im Zusammenhang mit Leistungssteigerung zu bewerten und nicht vielmehr die Leistungssteigerung – ob sie nun achtsam oder nicht vollzogen wird?
Und in diesem Zusammenhang: Wie sind dann beispielsweise Gebete oder Selbstbekreuzigungszeichen oder Yogaübungen bei Leistungssportlern vor einem Wettbewerb zu bewerten (oder bei Soldaten vor einem Kampfeinsatz)? Müsste nicht zunächst der Wettbewerb (und Kampfeinsatz) an sich aufgrund ethischer Grundlagen bewertet werden?
Und klar, diese Bewertung fällt vielleicht anders aus, wenn sie aus einer achtsamen (oder auch religiösen) Grundhaltung heraus entsteht – aber vielleicht auch nicht….

Genau genommen beginnt der buddhistische Weg (obwohl ich mir nicht sicher bin, ob Buddhas Analyse des Lebens als Leiden Sinn macht, ganz zu schweigen von Lehren wie Karma, Wiedergeburt, Buddhanatur etc.) mit Rechtem Sehen, also einer Erfahrung des Wegfalls der Ich-Empfindung. Daraus entspringt dann die Ethik und die Achtsamkeit. Achtsamkeit und normative Ethik hat auch oft etwas verkopftes, künstliches. Es gibt dazu ja auch religiöse Gegenentwürfe wie z.B. den Daoismus. Er vertraut sich eher dem Leben an, und sieht sich nur als Teil der Natur. Ethisches Handeln entsteht für ihn erst, wenn das natürliche Gute Handeln, das Handeln im Einklang mit der Natur, verloren gegangen ist. Ist also schon eine Verfallserscheinung. Er versucht eher den jeweiligen Situationen zu entsprechen, als sich Regeln zu setzen. Während im Buddhismus für Mönche/Nonnen alles durch Regeln festgelegt ist (über 200, wenn ich mich recht erinnere). Da dient Achtsamkeit auch dazu, diesen zu entsprechen, was für uns eher irrelevant ist.
Sicher könnte man Achtsamkeit oder andere meditativen Ansätze (oder einfach nur Sitzen ohne Ziel) auch mit anderen westlichen Ansätzen verbinden, wie z.B. der Stoa. Aber sicher schafft Achtsamkeit allein keinen besseren Menschen (Es gibt ja sogar eine Achtsam Morden-Krimi-Reihe).

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