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Freie Software und Communities

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Digitale Alternativen

Viele wissen, dass digitale Konzerne ihre Nutzer ausbeuten und manipulieren. Wenn man das ändern möchte, treten meist ganz praktische Fragen auf: Was kann man tun? Welche digitalen Alternativen gibt es? Joseph P. De Veaugh-Geiss von der gemeinnützigen Organisation „Konzeptwerk neue Ökonomie“ gibt Tipps.

Eine digitale Gesellschaft, die mit einer geheimen, proprietären Software betrieben wird, in der Agorithmen uns unbegründet Ergebnisse liefern, können wir nicht frei nennen.

Zum Konzept der Freiheit in freier Software hat der Harvard-Akademiker und Jurist Lawrence Lessig einen schönen Vergleich mit dem Recht gezogen, um die Bedeutung der Transparenz für eine freie digitale Gesellschaft zu verdeutlichen:

[K]eine Gesellschaft, die ihre Gesetze geheim halten würde, könnte jemals als frei bezeichnet werden […] Wir könnten uns eine Gesetzespraxis vorstellen, die anders ist – Musterbriefe und Argumentationen, die geheim gehalten würden; Entscheidungen, die ein Ergebnis bekanntgeben, aber nicht die Begründungen. Gesetze, die von der Polizei eingehalten würden, doch für sonst niemanden veröffentlicht wurden. (…) Wir könnten uns diese Gesellschaft vorstellen, doch wir könnten es uns nicht vorstellen, diese frei zu nennen. […]

Doch wenn unsere Welt endlich zu Verständnis über die Macht und Gefahr von Quellcode gelangt wenn sie endlich sieht, dass Quellcode wie Gesetze oder wie Regierungen transparent sein muss, um frei zu sein dann werden wir […] die Vision erkennen, für deren Verwirklichung [Richard M. Stallmann] gekämpft hat: die Vision einer Welt, in der Freiheit und Wissen den Compiler überleben. (1)

Das ist ein elementarer Aspekt der freien Software. Ein anderer ist die Community, und natürlich sind beide miteinander verbunden.

Ein konkretes Beispiel, wie Freie Software eine Community und die Zusammenarbeit stärkt: In Berlin hat eine kleine Gruppe eine Instanz von Mobilizon, einer auf Fediverse basierenden Event-Management-Plattform, namens Mobilize.Berlin eingerichtet.

Sie wurde von der Initiative Reclaim Club Culture inspiriert, die autonome Räume in der Berliner Clubszene fördern will. Die Website ist für Clubs, Partypeople, Künstlerinnen und ethische Hacktivisten gedacht, um ihre Veranstaltungen bekannt zu machen und mit den Teilnehmer zu interagieren.

Die Party im Görlitzer Park zum Launch der Website wurde in der Arte-Dokumentation „Unterm Radar – Wege aus der digitalen Überwachung“ dokumentiert. (2)

Da es sich dabei um Freie Software handelt, können die Nutzerinnen und Nutzer mitarbeiten, d.h. den Code verbessern und ergänzen, z. B. durch das Einfügen neuer Funktionen oder die Entwicklung von Cross-Posting-Tools.

Diese Tools ermöglichen es Eventmanagern, verschiedene Social-Media-Konten zu verwalten. Sie veranstalten Hackathons, um diese Aktivitäten zu unterstützen.

Nutzer können Software beeinflussen

Was in diesem Kontext vielleicht am wichtigsten ist: Die Nutzungsbedingungen und die Instanzregeln (3) spiegeln die Werte der Community wider und nicht irgendein gewinnorientiertes Unternehmen mit seltsamen Werten wie “Gewalt und Rassismus sind in Ordnung, aber Nippel auch nur eine abstrakte Zeichnung davon die gehen gar nicht”. (4)

Es gibt aber weitere Instanzen, nicht nur Mobilize.Berlin. Und die anderen Mobilizon-Webseiten können mit uns interagieren und umgekehrt, wenn wir das wollen. Wenn man damit nicht einverstanden ist, kann man eine eigene Instanz betreiben. All das ist bei den proprietären zentralisierten Alternativen aus dem Silicon Valley nicht möglich. Und dies ist nur ein Beispiel für den Gewinn von dezentralisierter freier Software.

Leider fehlt normalen Nutzerinnen und Nutzern das Know-How, um freie Software mitzugestalten. Ja, viele wissen nicht einmal, dass es sie gibt und wie man sie einsetzen kann. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, sich zu engagieren, z.B. indem man alternativen Projekten spendet.

Auch kann jeder Fehlerberichte einreichen. Das hilft den Entwicklerteams, sich über möglicherweise nicht funktionierende Dinge bewusst zu werden. Man kann auch Feature-Anfragen äußern.

Bei Mobilizon zum Beispiel war eine der vielen Wünsche ein verbessertes Design, um die Kartenfunktion zugänglicher zu machen. Das ist eine Kleinigkeit, aber wichtig für die Usability. Der ganze Prozess ist nicht nur transparent, sondern die Nutzer können die Richtung der Softwareentwicklung direkt beeinflussen.

Der soziale Aspekt bei Freier Software sollte nicht vergessen werden. Persönliche Treffen in Hackerspaces, auf CryptoParties, die sich um Freie Software und ethische Technologie drehen, sind großartige Orte, um sich zu engagieren. Sie können eine anregende Umgebung sein, um anderen zu helfen und selbst Neues in einer nicht-hierarchischen Lernumgebung zu lernen. (5)

Ähnliche Events finden häufig im Rahmen anderer lokaler Initiativen statt, wie z. B. Konferenzen, Workshops oder Universitätsveranstaltungen. Man findet sie auf Mobilize.Berlin oder anderen regionalen Mobilizon-Instanzen.

Das Problem des Energieverbrauchs

Digitalisierung kann einerseits Energie einsparen und den CO2-Ausstoß verringern: Man denke zum Beispiel an digitale Konferenzen, zu denen niemand hinfliegen muss.

Andererseits verbraucht die digitale Gesellschaft eine Menge Energie. Dies ist ein Hauptthema bei dem Projekt KDE Eco von KDE, der gemeinnützigen Entwicklergemeinschaft für freie Software.

Der Informations- und Kommunikationstechnologie-Sektor verursacht Schätzungen zufolge mit etwa 2,5 Prozent aller Emissionen mindestens genauso viel Treibhausgasemissionen wie die Luftfahrtindustrie. Und diese Emissionen steigen immer weiter an: Bis 2050 könnten es über 30 Prozent aller Emissionen sein. (6)

Dieser Energieverbrauch ist häufig unnötig, er folgt einer wirtschaftlichen statt technischen Logik. Wenn die Hardware an eine unfreie Software gebunden ist und das Unternehmen beschließt, die Softwareunterstützung für diese Hardware einzustellen, steht man vor der Wahl: Man kann das Gerät weiterhin mit veralteter Software verwenden, was ein Sicherheitsrisiko darstellt, oder muss das alte Gerät wegwerfen und ein neues kaufen.

Selbst wenn die Software auf dem Gerät aktualisiert werden kann, haben neuere Versionen der Software oft das Problem des Software-Bloats. Die Vergabekriterien des Blauen Engels für energie- und ressourceneffiziente Software beschreiben Software-Bloat gut:

“Die Verfügbarkeit von immer leistungsfähiger Hardware führt dazu, dass Software von Version zu Version aufgebläht wird, sodass mehr Ressourcen in Anspruch genommen werden bei nur minimaler bis keiner Vergrößerung der Funktionalität.”

Diese softwarebedingte Veraltung der Hardware zieht einen unnötigen und sehr energieintensiven Prozess für die Metallgewinnung, die Produktion und den Versand neuer Geräte nach sich. Es ist ungeheuerlich: Bei vielen Geräten entfallen 85 bis 95 Prozent der Treibhausgasemissionen, die sie verursachen,auf Produktion und Versand, nicht auf ihre Nutzung!

Alternativ kann man meist GNU/Linux auf den Geräten installieren, um ein aktuelles Betriebssystem zu haben und die Hardware in Betrieb zu halten. Diese Software ist nicht nur ethisch gut, sondern auch umweltfreundlich.

Viele GNU/Linux-Betriebssysteme und -Software sind mittlerweile ausgereift und einfach zu nutzen. Viele schätze dieses Software, weil sie Benutzer respektiert und nicht ständig Dinge im Hintergrund tut, die sie nicht wollen und die ihre Privatsphäre verletzen könnten. Die Vermeidung unnötiger Hintergrundprozesse ist ebenfalls effizienter und kann die Energiekosten im Laufe der Zeit senken!

Weitere Beispiele für fragwürdigen Energieverbrauch sind Data-Mining und Werbung, die selten mit den Hauptfunktionen der Software zu tun haben. Diese überflüssigen Prozesse kosten Rechenleistung und damit Energie.

Von Proof-of-Work-Kryptowährungen wie BitCoin haben wir noch gar nicht gesprochen. Diese sind eine Katastrophe für die Ökologie. Oder das Training von KI-Modellen.

Laut Prof. Dr. Christoph Meinel kann das Training eines einzigen KI-Modells heutzutage die Energie von 300 Hin- und Rückflügen von New York nach San Francisco verbrauchen. Und das alles für bessere Möglichkeiten für FacebBook und Co, um unsere Gesichter auf Fotos automatisch zu erkennen? Nein danke!

Joseph P. De Veaugh-Geiss ist der Projekt- und Community-Manager von “Blauer Engel 4 FOSS”-Projekt des KDE e.V. Er unterstützt das Projekt, indem er Informationen über die Blauer Engel-Ökozertifizierung und Ressourceneffizienz im Zusammenhang mit der Entwicklung Freier Software sammelt und verbreitet. Außerdem unterrichtet er den Kurs “Deconstructing — And Reconstructing — The Digital Self” an der Universität der Künste Berlin und ist in verschiedenen Projekten im Bereich der Freien Software und der digitalen Gesellschaft aktiv.

Lesen Sie auch das Interview mit dem Autor: Was bedeutet Freiheit in der digitalen Welt?

Quellenhinweise

(1) https://www.gnu.org/philosophy/lessig-fsfs-intro.de.html

(2) https://www.arte.tv/de/videos/100750-000-F/unterm-radar/

(3) https://www.propublica.org/article/facebook-hate-speech-censorship-internal-documents-algorithms

https://arstechnica.com/information-technology/2016/10/facebook-boobs-breast-cancer-awareness-charity-video-ban/

(4) https://mobilize.berlin/rules

(5) https://www.cryptoparty.in/parties/upcoming

https://dl.acm.org/doi/pdf/10.1145/3483410

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