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Glück als Unternehmenszweck

Foto: Hansen
Foto: Hansen

Wie eine Bäckerei sich neu erfand

Die Bäckerein Hansen auf Föhr hat sich vor einigen Jahren neu aufgestellt und den Betrieb konsequent an den Bedürfnissen von Mitarbeitern und Zulieferern ausgerichtet. Dazu gehören die faire Entlohnung, der großzügige Umgang miteinander und die konstruktive Konfliktlösung. Heute floriert das Unternehmen.

„Glückliche Menschen, darauf wird man später gut zurückblicken können“, so dachte sich Volker Hansen, als er 2017 begann, seinen Bäckereibetrieb auf Föhr anders aufzustellen.

Den Ausschlag für diesen Wandel gab das Buch „Reinventing Organizations“ von Frederic Laloux, das Volker Hansen geschenkt wurde, und das sich als Geschenk für viele andere Menschen erweisen sollte.

Nach der Lektüre machten Volker Hansen und der Betrieb sich auf, auf eine Reise ins Ungewisse. Der ein oder andere Mitarbeiter wollte nicht mitreisen. Die meisten blieben und sind heute überaus glücklich damit. Mehr als das. Sie tragen gemeinsam diesen Weg.

Konzentrische Kreise des Glücks

Auf den ersten Blick würde man nicht vermuten, dass sich hinter der zwar modernen und ansprechenden aber ansonsten doch eher normalen Kulisse der Bäckereiläden Hansen ein Betrieb verbirgt, der konzentrische Kreise des Glücks über die Insel Föhr und darüber hinaus verbreitet.

Volker Hansen schätzt die Menschen, mit denen er arbeitet.

Diese Kreise gehen von Volker Hansen auf die Mitarbeiter, deren Familien, die Gemeinden auf Föhr und über die Saisonkunden – die sich einen Vorrat der köstlichen Backwaren nach dem Ende des Urlaubs mit nach Hause nehmen – auch bis auf’s Festland.

Wie entstehen solche konzentrischen Glückskreise? Der Ausgangspunkt ist ein bestimmtes Menschenbild: zum einen davon, wer man als Unternehmer selbst sein will. Zum anderen ein Bild von den Menschen, die einen umgeben – davon wer sie sind, wie sie sind und wie man mit ihnen umgehen möchte.

Das fängt zum Beispiel mit einer fairen Entlohnung an – vom Auszubildenden bis zum Bäckermeister. Auch Saisonkräfte werden nicht nur fair entlohnt, für sie stehen bei Bedarf auch für kleines Geld Zimmer zur Verfügung, inklusive kostenloser Fahrräder und Events.

Für die Mitarbeiter wartet auf dem Festland ein Firmenwagen, der von allen genutzt werden kann. Die Arbeit ist soweit wie möglich eigenverantwortlich organisiert. Es wird darauf vertraut, dass die Mitarbeiter schon wissen was zu tun ist.

Weniger Stress für alle

Größere Veränderungen werden immer gemeinschaftlich besprochen und umgesetzt. So wurde etwa in den „Corona-Jahren“ der gemeinsame Beschluss gefasst, das Sortiment zu verkleinern, auch damit die Kunden nicht so lange anstehen müssen.

Das sollte sich für alle Bereiche des Betriebs als segensreich erweisen – sowohl für die Lieferfahrer, die nun beispielweise nicht mehr mit delikaten Sahnetorten jonglieren müssen, als auch für die Verkäuferinnen, für die alles übersichtlicher und einfacher handhabbar wurde. Ein Beispiel dafür wie ein konzentrierteres Angebot mehr Ruhe und weniger Stress in den Betrieb bringt.

Was für eine Kraft in der Ruhe liegt, lässt sich mit Händen greifen, wenn man eine Weile in der Backstube verbringt. Brotbacken ist nichts für schwache Nerven. Wenn der Teig bereit ist, sind Geschwindigkeit und sichere, geschickte Handgriffe gefragt.

Und trotzdem hat man zu keiner Zeit ein Gefühl von Hektik. Jeder weiß was zu tun ist, die Arbeitsabläufe sind eingespielt, die Kommunikation erfolgt fast wortlos, und alles fließt.

Am Ende stehen erstaunliche Mengen Backwaren. Auch hier gab es wohl eine Umstellung, die bei aller Dynamik Ruhe in die Abläufe bringt: „Jetzt wo wie die Brote in der Reihenfolge der Ruhezeiten backen, ist die Arbeit ruhiger“, berichtet einer der Bäcker.

Im Zentrum steht der Mensch

Andere Rhythmen, andere Prioritäten. Im Zentrum steht stets der Mensch. Und zwar nicht nur auf gesamtbetrieblicher Ebene, sondern auch im Einzelfall. Einer zugezogenen Mitarbeiterin stellt Volker Hansen eine Bürgschaft, weil sie sich sonst die Kaution für ihre Wohnung nicht hätte leisten können. Fehlende Möbel werden von den Kollegen zusammengetragen.

Ein Mitarbeiter, dessen schwangere Frau zum Gebären auf’s Festland muss, bleibt selbstverständlich bei seiner Frau, bis das Kind geboren ist. Kranke Mitarbeiter bleiben selbstverständlich zuhause. Jede Filiale erhält ein Budget, um als Team gemeinsam etwas unternehmen zu können.

Die Büro- und Aufenthaltsräume sind hell und einladend. An den Wänden finden sich Dankesschreiben von zufriedenen Kunden. Bevor es morgens um 3 Uhr in die Backstube geht, sitzen die Bäcker zusammen beim Kaffee. Und auch einen Raucherraum gibt es – damit niemand in der Kälte stehen muss.

„Wundervolle, echte Menschen mit großartigen Ecken und Kanten“

Bei allem Veränderungswillen geht es um die zentrale Frage was die Einzelne brauchen, damit es ihnen gut geht und wie man allen am besten dienen und sie mitnehmen kann.

Es geht nicht darum, wie man Menschen gerne haben möchte, sondern darum, zu erkennen, wie sie sind. Freiheit, Autonomie und Wertschätzung sind ebenso wichtig wie Raum für Entwicklung – für den Einzelnen und damit für den gesamten Betrieb.

„Wundervolle, echte Menschen mit großartigen Ecken und Kanten“, nennt Volker Hansen seine Mitarbeiter, wenn er mit strahlenden Augen und einem verschmitzten Grinsen über das spricht, was den Betrieb trägt.

Bei Ecken und Kanten versteht es sich, dass auch in einem solchen Betrieb nicht immer „Friede, Freude, Eierkuchen“ herrscht. Konflikte entstehen auch hier, und Veränderungen werden mal mit mehr, mal mit weniger Enthusiasmus aufgenommen.

Der Unterschied besteht darin, wie mit diesen Spannungen umgegangen wird. Eine der Mitarbeiterinnen bringt es auf den Punkt: „Veränderung macht mir hier keine Angst, weil ich darauf vertraue, dass immer eine Lösung gefunden wird, die auch für mich passt.“

So fühlt es sich wohl an, wenn man einen Betrieb konsequent auf den Menschen ausrichtet. Und so ist es kein Wunder, dass auch ich ein breites Grinsen im Gesicht habe, als ich nach zwei Tagen Föhr wieder auf der Fähre sitze.

Im Gepäck habe ich köstliche Kalorien in Form leckerer Brote, Butterkuchen und Nussstangen und Tausende von Joule an zuträglicher Energie, die ich gerne mit auf’s Festland nehme, um sie dort unter die Menschen zu bringen. Damit weitere konzentrische Glückskreise entstehen.

Sabine Breit

Shutterstock

Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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