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Meditation ist kein Allheilmittel

Jens Nagels/ Tibetisches Zentrum
Jens Nagels/ Tibetisches Zentrum

Der Dalai Lama über die Bedeutung positiver Emotionen

Meditation hat keinen Nutzen, wenn sie nichts an den negativen Emotionen des Menschen verändert, so der Dalai Lama. Notwendig sei eine Bewusstheit für innere Werte, und diese gelte es über Jahre zu kultivieren.

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen eines meditativen Trainings. Grundlage dafür ist ein Verständnis unseres mentalen Systems, der Emotionen, Gedanken usw. und wie sie zusammenwirken.

Die Probanden üben sich über mehrere Wochen in verschiedenen meditativen Praktiken. Wissenschaftler erheben vorher und nachher bestimmte Daten: z.B. über Blutdruck, Stresslevel, subjektives Wohlbefinden und anderes. Die Ergebnisse können sein, dass der Blutdruck sinkt, der Stress verringert wird und die Person insgesamt glücklicher und ausgeglichen ist. Dies wirkt sich dann natürlich auch auf ihr Umfeld aus wie die Familie und Arbeitsstelle.

Die Studien zeigen, dass Meditation sehr effektiv und positiv sein kann, aber ich zögere dennoch, Meditation als Allheilmittel anzupreisen. Häufig wird zu viel Wert auf die Meditation gelegt, und es fehlt das Verständnis dafür, was Meditation eigentlich bedeutet. Wenn die Person trotz Meditationspraxis voller negativer Emotionen bleibt oder die Meditation sogar nutzt, um etwas Negatives zu bewirken, dann hat das überhaupt keinen Nutzen.

Für mich steht die Bewusstheit für menschliche, für innere Werte im Vordergrund. Wir müssen verstehen, was die positiven Auswirkungen von Zuneigung und Mitgefühl sind und auch, welche Nachteile destruktive Emotionen mit sich bringen.

Unser Glück hängt von anderen ab

Wir sind zuallererst soziale Wesen. Unser individuelles Glück hängt sehr von der Verfasstheit der Gesellschaft und der Menschen um uns herum ab. Wir hängen vom Rest der Gesellschaft ab und das gilt für den Einzelnen genauso wie für Nationen, ja ganze Kontinente.

Wir leben in einer Welt, die durch einen rasanten technischen Fortschritt, durch das Wirtschaftssystem und die Umweltbelange immer enger zusammenwächst. Deshalb ist es kein Luxus, dass wir uns als Teil der Welt verstehen, sondern unser ureigenstes Interesse.

Für die körperliche Gesundheit des Einzelnen ist eine ruhige und ausgeglichene Geisteshaltung unabdingbar. Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung sagen. Ich fühle mich fit und gesund. Und das liegt nicht daran, dass der Dalai Lama ein besonderes Essen zu sich nehmen würde. Tatsächlich isst er ganz normal und hat auch sehr viel zu tun.

Als Hauptfaktor für meine persönliche Gesundheit betrachte ich meinen ausgeglichenen Geisteszustand. Natürlich hängt auch die Lebensweise damit zusammen, etwa dass ich abends nichts esse, früh schlafen gehe und morgens um 3:00 Uhr aufstehe, um zu meditieren, egal, wo ich mich befinde.

Unsere Lebensführung hängt mit unserem inneren Wohlbefinden zusammen. Die entscheidende Frage ist: Wie können wir einen Frieden des Geistes finden? Jeder Mensch möchte Wohlergehen erleben. Das, was unser Glück und die harmonische Beziehung zu unseren Mitmenschen zerstört, sind negative Emotionen wie Hass usw. Wenn wir den positiven Eigenschaften mehr Interesse und Aufmerksamkeit schenken, dann ist es das Beste, was wir für uns tun können. Das ist der Hauptpunkt. Und Meditation kann uns dabei unterstützen.

Wir wachsen mit positiven Emotionen auf

Der bekannte Wissenschaftler Richard Davidson hat Experimente mit Kindern gemacht. Davon berichtete er mir bei einem Treffen. Er zeigte Fünfjährigen Bilder von Menschen, die anderen weh getan haben oder die anderen halfen. Die spontane Reaktion war, dass sie die Bilder lieber gesehen haben, wo Menschen gut miteinander umgehen; bei den anderen Bildern schreckten sie zurück. Viele Experimente zeigen, dass Menschen von Natur her mehr mit diesen Werten wie Liebe und Mitgefühl verbunden sind. Wir wachsen auf in einer Atmosphäre dieser positiven Emotionen.

Untersuchungen belegen auch, dass das Wachstum des Gehirns bei Neugeborenen sehr stark davon abhängig ist, dass die Babies den physischen Kontakt mit der Mutter oder einer anderen Person haben, die für sie sorgt. Isolation wirkt sich für die Entwicklung sehr schädlich aus. Wir alle wissen, dass wir uns in einer Umgebung mit Menschen, denen wir vertrauen können, sehr viel wohler fühlen. Wir sind soziale Wesen, und das hängt mit unserer biologischen Entwicklung zusammen.

Auch die Religionen basieren auf diesen grundlegenden menschlichen Werten, die in uns angelegt sind. Diese sind es, die uns selbst, unsere Familie und Gemeinschaft zu einer glücklicheren Gemeinschaft machen. Dazu ist sonst niemand in der Lage, nicht die UNO oder irgendwelche religiösen Führer können uns menschliche Werte geben.

Meditation allein reicht also nicht aus. Und natürlich müssen wir erst einmal klären, was wir überhaupt unter dem Begriff verstehen. Entscheidend ist das Verständnis dieses inneren Systems der positiven und negativen Emotionen. Dann können wir beginnen, positive Emotionen zu schulen und bewusst zu entwickeln und negative Emotionen zu verringern.

Korrektes Denken als Teil der Meditation

Manchmal denken Leute, Meditation bedeute, einfach die Augen zu schließen und den Geist leer zu machen. Aus meiner Sicht ist es jedoch wichtiger, die menschliche Intelligenz zu nutzen und sie nicht in der Meditation auf irgendeine merkwürdige Art und Weise abzuschalten.

Es gibt natürlich auch spezielle Meditationen, in denen die Gedanken zur Ruhe gebracht werden. Dies sollte aber im Rahmen einer vollständigen Kenntnis dieser Meditation und einer entsprechenden Schulung geschehen. Sich einfach nur hinzusetzen, das Denken anzuhalten und zu meinen, dadurch eine positive Veränderung nachhaltig erreichen zu können, ist sicher ein Irrglaube.

Unter allen meditativen Praktiken halte ich die analytische Meditation für besonders wichtig. Im Grunde macht jeder Wissenschaftler und jeder ernsthafte Student nichts anderes, als eine analytische Meditation zu betreiben. Hier geht nicht darum zu wiederholen oder zu kopieren, was der Lehrer sagt oder was in den Büchern steht, sondern sich seine eigenen Gedanken zu machen und durch Nachdenken zu eigenen Überzeugungen zu kommen.

Bei der analytischen Meditation geht es vor allem darum, einen vollständigen Blick auf die Realität zu entwickeln. Da werden traditionell drei verschiedene Ebenen unterschieden: die Ebene des Hörens, dass man etwas durch Hören oder Lesen aufnimmt und in Erfahrung bringt. Diese Ebene gilt als labil, denn jemand anderer mag etwas anderes sagen, dann tendiert die eigene Meinung zu der anderen Meinung usw.

Deshalb geht es auf der zweiten Ebene, beim vertieften Nachdenken, darum, selbst die Dinge genauer zu analysieren und gegensätzliche Konzepte miteinander zu vergleichen. Das hilft einem, zu einer persönlichen inneren Sicht und Überzeugung zu kommen.

Die dritte Ebene wäre dann auf der Basis eines solchen tiefen Verständnisses, sich mit den Werten und Anschauungen vertraut zu machen, die man als richtig und positiv erkannt hat. Diese drei Ebenen der Bewusstheit, also Hören, vertieftes Nachdenken und Meditation stammen zwar aus dem Buddhismus, aber ich bin überzeugt, dass man sie auch im säkularen Kontext anwenden kann.

Bewusstheit entwickelt sich über Jahre

Ich denke, und das sagen auch viele Freunde und befreundete Wissenschaftler, dass unsere geistige Verfassung an sich stabil oder positiv ist. Negative Emotionen wie Hass, Gier, Konkurrenzdenken nehmen uns diese Stabilität. S
ie sind wie Viren, die das Immunsystem angreifen. Wenn wir aber insgesamt eine gute und stabile Geistesverfassung haben, dann können sie uns nicht völlig beherrschen.

Das ist wie beim Körper. Wenn ein Virus eindringt und das Immunsystem stark ist, kann uns das Virus nicht schädigen. Deshalb geht es auch bei der geistigen Gesundheit im Wesentlichen darum, so etwas wie Selbstbewusstsein und tieferes Verständnis der Realität zu haben. Das wäre ein tiefes Fundament für geistige Stabilität. Da können einen auch die negativen Emotionen nicht wirklich aus der Bahn werfen.

Wie entwickeln wir innere Stärke: durch Untersuchen, Nachdenken, Bewusstheit, die sich über Monate und Jahre hin entwickeln. Es gibt nicht die eine Methode, die man sozusagen aus dem Hut zaubern und mit der man alle Probleme lösen kann. Sondern es ist ein langwieriger Prozess der inneren Entwicklung, der viel mit Bewusstheit, mit Verstehen und Erkenntnis zu tun hat.

Ich möchte betonen, dass es nicht um Mittel geht, mit denen wir unsere Emotionen dämpfen wie mit einem Beruhigungsmittel. Sondern wir brauchen innere Kraft. Im christlichen Kontext gibt es ganz eigene Methoden, etwa den Glauben an Gott und die Stärke, die man daraus gewinnt. Im Buddhismus gibt es andere Methoden, etwa die Zufluchtnahme. Jeder Mensch braucht etwas, worauf er Zuversicht und Hoffnung setzen kann. Letztlich stimmt das, was der Buddha sagte: „Jeder ist sein eigener Meister.“

Aus dem Englischen übersetzt von Christof Spitz. Mit freundlicher Genehmigung des Tibet Buereau, Genf.

logo_weisheitstraining_cmyk_kl_ohneDas Netzwerk Ethik heute hat ein interdisziplinäres Weisheitstraining entwickelt, in dem es um die Kultivierung positiver Emotionen, die Stärkung von Resilienz und die Beschäftigung mit wichtigen Lebensfragen geht.

Infoabend: 11. Juni 2015 in der Modern Life School, Bäckerbreitergang 12 in Hamburg. Mehr Infos zum Weisheitstraining

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Meditation
Warum meditiert jemand?
Beschäftigt man sich mit den Beweggründen einer Person für die Aufnahme von Meditationsbemühungen unter dem Aspekt der Methode, so werden diese sehr vielfältig, interreligiös und multikulturell sein. Überlegt man hingegen unter dem Aspekt der Weisheit, was jemanden zum Meditieren veranlasst, so wird man vergleichsweise wenig Beweggründe finden. Genau genommen lediglich einen sehr markanten:
Die Frage, wie die Dinge existieren einerseits und wie sie erscheinen andererseits und wie die offensichtliche Diskrepanz zwischen diesen beiden Aspekten widerspruchsfrei erläutert werden kann, wird Sehnsucht nach Aufklärung und Erkenntnis entstehen lassen. Das ist ein Beweggrund, an der Zähmung des eigenen Geistes zu arbeiten, weil die durch die Meditation erwirkte Fügsamkeit des Geistes als geeignete Medizin erachtet wird, um eine rechte Erkenntnis zu erlangen.
Kurz: Eine Person, die sich unter dem Aspekt der Weisheit der Meditation widmet, tut dies vor allem deshalb, weil ihr die Gefangenschaft im Käfig der Unwissenheit deutlich bewusst ist.
Bei jenen Wesen von ausgeprägtem Verstand und guten Anlagen zu Intelligenz wird die Frage nach dem Grund für das Entstehen von Glück und Leid eine Antwort erfordern. Schwerlich wird die Suche nach dem Zweck des Daseins bei diesen Personen zur Ruhe kommen. Sie werden sich fragen, ob ein bestimmtes körperliches und geistiges Verhalten, eine bestimmte Sichtweise potentiell geeignet ist, ein echtes, dauerhaftes Glück zu erlangen.
Verspeisen beispielsweise zwei Personen die gleiche Mahlzeit, und der einen Person schmeckt diese Mahlzeit während die andere Person Abscheu davor empfindet, wird einem analytisch Reflektierendem klar, dass das jeweils Anziehende oder Abstoßende nicht innerhalb der Mahlzeit zu finden ist. Denn wäre das der Fall, dann müssten beide beim Verzehr der Mahlzeit dem gleichen Eindruck erliegen.
Es muss also bei der Wahrnehmung bzw. Empfindung eines jeweiligen äußeren Sinnesobjektes ein gewisser Anteil an subjektiver und individueller Projektion eine Rolle spielen. Und zwar entgegen dem ersten spontanen und direkten Eindruck von diesem Objekt, das sich ja nicht nur als getrennt von der wahrnehmenden Person darstellt, sondern auch noch eine persönlich urteilende Ansicht erzwingt, die dann leichtfertig diesem Objekt zugeschrieben wird.
Wir alle kennen diesen Vorgang bei unseren unwillkürlichen Bewertungen und Einteilungen der äußeren Objekte in gut oder schlecht, Freund oder Feind, nützlich oder schädlich, vorteilhaft oder nachteilig, konstruktiv oder destruktiv und so weiter. Und diese Einteilung geschieht ganz mühelos so, als wären jene Eigenschaften und Merkmale allein in diesen äußeren Phänomenen enthalten. Der Anteil, der auf unsere eigenen Projektionen zurückzuführen ist, findet bei Ungeübten keine Berücksichtigung. Diese unreflektierten Tendenzen zeigen sich während unserer gesamten Lebenszeit, vom Beginn als Säugling bis zum Ende beim Sterben. Zunächst lediglich als instinktives Streben und mit zunehmender Verstandeskraft auch den vielfältigsten weltanschaulichen oder religiösen Hypothesen der jeweiligen zeitgeschichtlichen und kulturellen Gegebenheiten folgend.
Genau daraus resultiert auch die wieder und wieder kultivierte Neigung, eben die äußeren Objekte und Umstände zu verändern, zu gestalten, anzupassen und unseren Wünschen, Ängsten und Zielsetzungen entsprechend zu manipulieren. Selbst wenn wir in Kategorien wie vorne oder hinten, groß oder klein, oben oder unten einteilen, wird erst beim genaueren Blick deutlich, wie sehr diese Einteilungen eigentlich von unserem eigenen Standpunkt abhängen.
Jemand, der kraft seines Verstandes über diese verborgenen Zusammenhänge reflektiert, wird sich der Schlussfolgerung nicht entziehen können, dass jegliche Bemühungen und Anstrengungen; jegliches Bestreben nach Umsetzung seiner Pläne und Wünsche, das nicht den Eigenanteil an den vorgefundenen Umständen berücksichtigt, bestenfalls zu einer vorübergehenden Befriedigung führen werden. Und warum ist das so? Weil man sich mit überwältigender Mühsal der Gestaltung der Außenwelt widmet, ohne in Betracht zu ziehen, dass genau diese Außenwelt ein Gebilde unserer eigenen geistigen Projektion darstellt. Ähnlich wie das Kratzen eines Mückenstiches lediglich eine kurzfristige Erleichterung bewirkt, führt die Befriedigung sinnlichen Verlangens zu nichts anderem als zu weiterem Kultivieren des Verlangens. Der Hauptfeind, das vom Nichtwissen getragene Begehren erfährt keine nennenswerte Schädigung. Denn wie sollte ein Verhalten, dass auf irrtümlichen, fehlerhaften Grundlagen aufbaut je zu stabilem Glück führen können? So wie es nicht möglich ist, dass die Sonne jene bescheint, die sich im Schatten befinden, so ist es auch nicht möglich, dass innerer Friede jenen zuteil wird, die sich als getrennt von den äußeren Begebenheiten wähnen.
Diesen Überlegungen des bedingten Zusammenwirkens innerer und äußerer Gestaltungen entsprechend, wird eine geschickt agierende Person fortwährend bemüht sein, einen großen Anteil ihrer ohnehin alltäglich zu erbringenden Anstrengungen jenen Aktivitäten zu widmen, die sich mit der Schulung der eigenen Betrachtungsweise und der subjektiven Einordnung des äußeren Anscheins befassen. Ähnlich wie jemand, der sich im Schatten befindet und nach Sonne sehnt, sich damit beschäftigt, seinen eigenen Standort zu korrigieren.
Wenn also eine Person meditiert, ausgiebig, ernsthaft, tiefgründig und den Weisen folgend, dann geschieht dies zuallererst zum Zwecke des Erreichens eines korrekten Verständnisses von Wirklichkeit. Jemand der sich anfänglich der Meditation widmet, ist sich der Tatsache bewusst, dass, wenn er seine bisherige Weltsicht und das daraus resultierende Verhalten tendenziell fortsetzte, keine Überwindung von Trübsal, Jammer, Kummer, Schmerz, Verzweiflung, Enttäuschung, Frustration oder Depression wird erfahren können. Er wird nur schwerlich Ruhe vor seinen eigenen Wünschen finden können. Auch Wünsche altruistischer Natur berücksichtigen im Allgemeinen nicht die Kurzsichtigkeit eines parteiischen oder emotional fixierten Horizontes. Wieder und wieder werden Schwierigkeiten aller Art das Erreichen von innerem Frieden behindern und selbst in den besseren Zeiten wird das vorhandene Glück nie genug sein. Getragen von diesem schmerzlichen Gewahrwerden erwächst in ihm eine große Sehnsucht nach Abgeschiedenheit. Und beinahe nebenbei entsteht ganz natürlich der Wunsch nach Entsagung, da sich die fesselnden Aspekte irrtümlichen Denkens offenbaren.
So ist der Drang nach Meditation und die entsprechende Durchführung einem reflektiven Nachsinnen geschuldet, das durchschaut, wie tiefgreifend und schwerwiegend der Irrtum ist, der eine Verschiedenheit und Trennung zwischen Subjekt und Objekt; zwischen Innen und Außen; zwischen Erlebendem und Erlebtem; zwischen Wahrnehmendem und Wahrgenommenem konstatiert. Zudem erfährt der Übende das latent anwesende Potential für Leiden in diesem Dasein als bloßes Resultat einer unbekümmert und spontan herrschenden, permanent anwesenden Unwissenheit.
Nun richtet der Meditierende seinen Gestaltungswillen ganz überwiegend auf den eigenen Geist und deutlich weniger auf die äußeren Erscheinungen. Was immer ihm dann in den Sinn kommt, er wird es nicht mehr als unabhängig und getrennt von sich selbst erfahren können. Das bedeutet, er arbeitet an der Betrachtungsweise der Phänomene und nicht an den Phänomenen selbst.
Diesen Überlegungen Rechnung tragend wird ihm auch deutlich, dass Meditation einerseits entschlossene und kontinuierliche Arbeit erfordert und andererseits nicht Selbstzweck ist, sondern einem bestimmten Ziel dient. Vielleicht ähnlich wie bei einem Sportler, der sich eines erwünschten Resultates wegen einem anstrengenden Training unterzieht.
Was ist nun aber das Ziel des Meditierens; worauf richtet sich die Sehnsucht des Übenden? Es ist sein Wunsch, nicht mehr als Spielball der eigenen geistigen Projektionen hin- und hergerissen zu werden. Es ist sein Verlangen, mittels erkennender Einsicht, Zugriff auf das niemals abwesende, jedem von uns innewohnende Potential zum Erwachen zu erhalten. Es ist sein Bestreben, in jeglichem Erleben und Erfahren jenen gewohnheitsmäßigen Anteil an Verblendung auszurotten, der für die fehlerhafte dualistische Erfassensweise der Daseinsgebilde verantwortlich ist. Und jemand, der sich mit der Aufhebung und Loslösung des Anhaftens an Eigenständigkeit von Phänomenen beschäftigt, beschäftigt sich mit der Aufhebung der Unwissenheit. Und jemand, der sich mit der Aufhebung der Unwissenheit beschäftigt, beschäftigt sich mit der Aufhebung des Leidens.
So wird in jemandem, der sich der Fesselung bewusst wird, das Suchen nach Lösen der Knoten zum wesentlichsten Zufluchtsobjekt, zur Hauptrichtung seines Strebens. Damit gerät das Ende allen Suchen-müssens in Reichweite dieser Person und sie entwickelt auf diese Weise Qualitäten, die von enorm weitreichendem Nutzen für alle fühlenden Wesen sind.
Darum also meditiert jemand, der die Weisheit zum Bezugsobjekt hat.

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