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Sind wir noch zu retten?

Mopic/ Shutterstock
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Zukunftskamp in Hamburg – zwischen Fatalismus und Mut

Auf Initiative der Zeit-Stiftung tagte am 11. Oktober in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel das dritte Zukunftscamp „.vernetzt#“. Einen ganzen Tag lang diskutierten namhafte internationale Experten und das Publikum über die Frage „Wie wollen wir in einer zunehmend globalisierten und vernetzten Welt leben?“.
Im Mittelpunkt der hochkarätigen Veranstaltung stand die Frage, wie wir mit den Erschütterungen, die die Globalisierung und Hochtechnologie in der Welt ausgelöst haben, umgehen. Wozu haben diese Veränderungen in unserem Innern geführt? Was hält uns zusammen, und wo driften wir auseinander? Oder, wie es die Initiatoren formulierten: „Was bleibt übrig, wenn wir vieles verlieren, von dem wir glauben, dass es uns ausmacht – als Mensch, als Gesellschaft, als Zivilisation?“

Haben wir noch eine Chance oder ist alles schon verloren?

Den Auftakt der Veranstaltung bildete die Keynote des britischen Computerwissenschaftlers Stephen Emmott zur Zukunft der Menschheit. Sein Buch „10 Milliarden“ hat letztes Jahr Aufsehen erregt. Der Provokateur wiederholte die wesentlichen Aussagen daraus – eine düstere Faktenschau zum globalen Wandel und seinen Folgen für Mensch und Umwelt.
Die Resonanz auf sein Buch ist wohl auch deshalb so groß, weil er wie kein Zweiter drastisch formulierte, wie er die globale Zukunft sieht: „I think we are fucked,“ alles ist schon verloren. Unser zerstörerisches Konsumverhalten, dessen Auswüchse er an den Erwartungen an ständig neue auf den Markt kommende I-phones beispielhaft skizzierte, ist weltweites Vorbild. Zusätzliche drei Milliarden Menschen würden sich sehr bald den gleichen Konsumstil leisten können, weitere drei Milliarden, die noch nicht geboren sind, kämen hinzu- am Ende also sind es zehn Milliarden.
Doch brachte Emmott wirkliche neue Erkenntnisse in die Diskussion? Wir wissen ja um das, was wir mit unserer Lebensweise angerichtet habe. Die eigentliche Frage, warum wir nicht handeln, obwohl wir wissen, konnte Emmott auch nicht beantworten.

Ohne Krisen passiert nichts

Im Anschluss folgten drei weitere Beiträge, sozusagen Gegenentwürfe zu Emmotts Fatalismus. Auffällig blieb, dass die Beiträge große Entwürfe waren, aber wenig Ansatzpunkte für individuelles Handeln lieferten. Sie stellen ebenso wie bei Emmott eher Erklärungen dafür dar, warum der Mensch so ist, wie er ist.
Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, beschrieb das Ende des Wachstums als Wert an sich und stellte den tiefverwurzelten Glauben an immer weiteres Wachstum in Frage. Stattdessen sollten wir lernen, das Schrumpfen zu lieben, so Klingholz, denn es käme ohnehin auf uns zu.
Bereits in 90 Ländern sei das Bevölkerungswachstum gestoppt, die betroffenen Gesellschaften verlören sukzessive an Bevölkerung. Ihre Gesellschaften altern und das Wirtschaftswachstum sinke, weil keine Produktivitätsfortschritte zu verzeichnen seien.
Wir seien heute bereits mitten im Postwachstum angelangt. Alles, was wir für ein gelingendes Leben im Zeitalter der Schrumpfung brauchen, sei schon da: die Einsicht, dass teilen besser sei als besitzen, dass wir ein Finanz- und Kreditsystem brauchen, das ohne Wachstum auskommt, dass Ernährungsgewohnheiten sich ändern sollten. Aber ohne Krisen passiere nichts.
Erst wenn wir mit Krisen konfrontiert seien, also durch veränderte Gegebenheiten und Rahmenbedingungen, könnten den Einsichten Taten folgen. Wir bräuchten geradezu die Krisen, so Klingholz, um die nicht mehr funktionierenden Systeme zu reformieren.
Noch seien wir „Sklaven des Wachstums“, so auch der Titel seines Buches, und so wächst die Wirtschaft auch in den 90 Ländern noch auf Kosten neuer Schulden.

Hamburg verschwunden, Grönland als neues Italien

Klingholz entwarf folgendes Zukunfts-Szenario: Der Welt stünden in den nächsten Jahrzehnten Klima-, Flüchtlings-, Hunger-, Wirtschafts- und Finanzkrisen ins Haus, die eine Verschlimmerung brächten. Langfristig werde es aber wieder aufwärts gehen. Dabei denkt der Journalist in wirklich langen Zeiträumen: 2300, so seine Vorstellung, lebten die Bewohner der Erde in einem „Paradies der Nachhaltigkeit“. Zwei bis drei Milliarden Menschen bevölkerten dann den Planeten und lebten in Frieden und Wohlstand.
Hamburg sei zwar aufgrund des angestiegenen Meeresspiegels unbewohnbar geworden, dafür werde Grönland zum Fluchtort – mit angenehmem Klima und frischem Grün. Klingholz wusste mit seinem Optimismus zu überzeugen und zeigte ein gänzlich anderes Bild vom Menschen, dem er Erfindergeist und Anpassungsvermögen zuschrieb.

Mehr Verantwortung übernehmen

Meinhard Miegel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Denkwerk Zukunft und Autor des Buches “Hybris. Die überforderte Gesellschaft”, mahnte, dass wir ein hohes gesellschaftliches Bewusstsein für die schwierige globale Lage hätten, viele sich aber wenig verantwortungsvoll verhielten. Der Weg vom Wissen zur Umsetzung ist lang.
Im Mittelpunkt seiner Argumentation steht der menschheitsgeschichtlich kurze Weg Europas zur Maßlosigkeit – einem Verhalten, bei dem sich die Menschen wie Gott fühlten und jegliche Grenze durchbrechen würden.
Die Folge sei ein hemmungsloser Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen durch eine verschwindende Minderheit: Ein Prozent der Weltbevölkerung verbrauche 60 Prozent aller Ressourcen, etwas weiter gefasst sind es 20 Prozent, die 83 Prozent für sich beanspruchen. Noch nie sei die Verteilungsungerechtigkeit so groß wie heute gewesen. Unser anmaßender Lebensstil sei weiterhin das Vorbild für die Welt. Und so war Miegel pessimistisch, denn er befürchtet eine Überkompensation der Schrumpfungsprozesse durch diejenigen, die wachsen wollen.
Miegel formulierte zentrale Werte wie Achtsamkeit und Gemeinsinn, die das Fundament einer Welt sind, in der wir Verantwortung nicht weiterreichen, sondern bei uns selbst im eigenen Leben anfangen können. Das tut erst einmal weh, sei aber die einzige Basis für ein friedliches Zusammenleben und die Möglichkeit sich selbst zu ermächtigen.

“Wir brauchen Gemeinschaft“

Sowohl Klingholz als auch Miegel ignorierten, was es jetzt schon an Bemühungen gibt, anders zu handeln – von Menschen, die den individuellen Mut haben, aus überkommenen Konsummustern auszusteigen , sich zusammenzuschließen und gemeinschaftlich Alternativen zu schaffen.
Die Journalistin und einzige Frau auf dem Podium, Greta Taubert, bot in der Diskussion individuelle Alternativen. Mit Bezug auf ihr Buch „Apokalypse jetzt“ schilderte sie die Ergebnisse ihres einjährigen Selbstversuches, autark zu leben.
Auf Kampnagel wiederholte sie ihre wichtigste Erkenntnis: Es braucht Gemeinschaft, um der Apokalypse zu begegnen. Wenn wir sehen, dass gemeinschaftliches Leben und Wirtschaften bereichernd ist, dann verschwindet die Angst vor der Zukunft. Sich gegenseitig unterstützen, beispielsweise anderen zu vermitteln, wie ein 3 D-Drucker oder der Gemüseanbau funktioniert, sei der Schlüssel dazu, Alternativen lebenswert zu machen.

Die Welt ist groß und Rettung lauert überall

Nach dieser Auftaktveranstaltung ging es mit Workshops weiter. Hier wurde diskutiert, wie wir von dem Wissen zum Handeln kommen können. An den Beispielen von Island und Detroit nach der Wirtschaftskrise etwa wurde ein Blick auf kreative Lösungen zur Neuerfindung ganzer Staaten und Städte geworfen.
Für Hamburg forderte die Stadtmacher-Aktion von „Nexthamburg“ dazu auf, das eigene Lebensumfeld aktiv mitzugestalten. Ein ganzes Labor widmete sich mit eigenen Beiträgen, der Frage, wie wir den digitalen Wandel gestalten können. Zwei Theaterproduktionen wandten sich der sinnstiftenden Frage zu, was uns als Gemeinschaft aus- und starkmacht.
Stefan Ringstorff
Link zur Veranstaltung:
http://www.vernetzterleben.de/

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3 Kommentare
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Alle Kommentare

zu Ihrem Aufsatz “sind wir noch zu retten?
Sehr geehrter Herr Ringstorff,
es dürfte außer Zweifel stehen, dass die Unwissenheit die Menschheit in arge Schwierigkeiten bringen wird.
Der Archetypus des Lebens wird davon nicht nachhaltig betroffen sein, er wird neue Wege finden.
Vor ca. 450 Millionen Jahren soll ein Gammastrahlen-Sturm aus der Milchstraße die Erde überrannt haben. 250 Millionen Jahre später keimte neues Leben.
Das Leben ist eigentlich nicht notwendig, aber nicht zu verhindern.
Gedanken eines beschränkten Geistes.
mit freundlichsten Grüßen
Helmut Sorembik

Umdenken wäre eine feine Sache, aber Umdenken erfordert Menschen, die bereit und in der Lage sind, umzudenken. Der Masse der Menschen fehlt es nicht an Aufklärung. Die bekommen wir täglich in Massen. Die Masse der Menschen fehlt es allerdings an Gesundheit. Sie sind gefangen in ihren Gebrechen und psychischen Abhängigkeiten.
Mehr Gesundheit ist der erste Schritt. Ohne ihn werden wir nichts erreichen. Ich empfehle das Buch: Weltretten Geht anders: Für Menschen, die ausgetretene Pfade verlassen. Mehr darüber bei Amazon.

Liebe Freunde,
das Thema [ “ist.. rettet die Welt…”]… auch 2018 noch aktuell.
Euere Argumente sind modern eingebettet.
Lösung sind vor unseren Augen.
Ackerbau und Fischzucht, wie schon seit Jahrtausenden.
Eigenverantwortung der Sammler, Jäger, Bürger.
Glaubensfragen ausschliessen, die Verwaltung aufgeben.
Der einzelne entscheidet über seinen Lebensraum.
Der Planet Erde ist riesig und 100 Milliarden können
friedlich hier leben, wenn die Besserwisser keine Macht haben.
Wenn die Verantwortung in die Hand des Nachbarn gelegt wird,
kommt zwangsläufig der Zusammenbruch:
So wir es heute grausam erfahren müssen. !! de ja vue !!
ICH NEHME MEIN LEBEN IN DIE EIGENE HAND.

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