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Fast Fashion – Mode zum Wegwerfen

Salahuddin Ahmed Paulesh/ Shutterstock
Textilarbeiter in Bangladesch |
Salahuddin Ahmed Paulesh/ Shutterstock

Wie Shein, H&M und Co. die Umwelt schädigen

In der Glitzerwelt der Mode zählt der schnelle Kick. Der Wunsch, mit der Mode zu gehen, verdeckt ethische und ökologische Bedenken. Ines Eckermann zeigt die Schattenseiten von Fast Fashion: die Ausbeutung der Arbeiter, mangelnder Schutz vor Chemiegiften, Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung.

Manches Kleidungsstück hält nicht mal so lange wie der Trend, der es hervorgebracht hat. Fast Fashion, also Billigkleidung, ist weder für die Menschen, die sie herstellen, noch für die Umwelt eine gute Sache. Das sollten wir nach Jahrezehnten mit H&M, Zara und Co. mittlerweile wissen.

Doch mit dem chinesischen Modeanbieter Shein nimmt Fast Fashion eine neue Geschwindigkeit auf: Oft wird das asiatische Textunternehmen auch als Ultra-Fast-Fashion-Konzern bezeichnet. In Shein ballen sich Globalisierung und Kapitalismus zu einem Textil-Bollwerk, das bislang ungeahnte Auswirkungen auf Mensch und Natur hat.

Die Lieferketten von Shein sind kaum nachvollziehbar. Zudem klagen namhafte Marken und Designer immer gegen des Fast-Fashion-Riesen, da dieser ihre Designs zu kopieren scheint. Doch Shein trifft eindeutig einen Nerv bei vielen, vor allem jungen Konsumentinnen.

Denn die Nachfrage hat sich rasant beschleunigt. In einer Umfrage der Umweltschutzorganisation Greenpeace gaben 61 Prozent der deutschen Social-Media-Nutzenden zu, gleich mehrere Kleidungsstücke im Schrank liegen zu haben, die sie noch nie getragen haben. Unter den Instagram-Abstinenzlern ist die Zahl mit 33 Prozent nur etwa halb so hoch. (i)

Und dennoch: Lässt sich manch einer verführen, Dinge gerade lange genug zu wollen, um sie zur Kasse zu tragen und zu bezahlen. Kurz nach dem Kauf verfliegt die Liebe zu dem neuen Top oder dem stylischen Paar Turnschuhe.

Von ihren insgesamt 5,2 Milliarden Kleidungsstücken tragen die Deutschen 40 Prozent sehr selten oder nie. Vieles rangieren sie, kaum gekauft, schon wieder aus: 18 Prozent der Kleidungsstücke tragen sie nur zweimal, und jeder Achte trägt seine Schuhe kürzer als ein Jahr. Neue Absätze bekommt nahezu kein Paar mehr verpasst.

Wegwerfen statt Waschen

Was viele der Shein-Fans überzeugt, ist nicht nur das geschickte Marketing, sondern vor allem der Preis: Die Fast-Fashion-Marke Shein ist günstiger als andere Billig-Marken: Während ein Shirt bei H&M meist um die 15 Euro kostet, sind bei Shein viele schon für unter drei Euro zu haben. (ii)

So sammeln sich in manchem Schrank Kleidungsstücke, die vermutlich länger produziert als getragen werden. Hergestellt zu Dumpingpreisen und unter Arbeitsbedingungen, die wir am liebsten einfach nur verdrängen wollen.

Die Organisation Public Eye fand heraus, dass die Arbeitenden, die Kleidung für Shein herstellen, oft über 75 Arbeitsstunden pro Woche arbeiten, ohne einen angemessenen Lohn oder Sozialleistungen zu erhalten. (iii) Weit weg an einen fernen Ort, zum Beispiel in Bangladesch. Das ist dort, wo marode Fabrikgebäude einstürzen und das Leben der Arbeiter kaum mehr wert zu sein scheint als die T-Shirts und Jeans, die sie produzieren.

Der Wunsch, mit der Mode zu gehen, verdeckt schnell alle gesundheitlichen und ethischen Bedenken. Für die Umwelt ist vor allem der Fakt problematisch, dass Shein fast ausschließlich Kleidung aus Polyester herstellt, die einen besonders starken negativen Einfluss hat.

In einer Studie erklärt Greenpeace, dass Kleidung von Shein ernsthafte gesundheitliche Risiken birgt – und das nicht nur für die Herstellenden. 15 Prozent der Kleidungsstücke seien so stark mit giftigen Chemikalien belastet, dass sie gegen EU-Vorschriften verstoßen. Sie überstiegen die Grenzwerte bei einigen Substanzen um 100 Prozent und mehr. (iv)

Schneller Kick, kein Recycling

Fast Fashion ermöglicht es auch jungen oder finanziell weniger gut gestellten Menschen, sich in vermeintlichen Luxus zu hüllen und stets der neuesten Mode zu folgen. Durch die preisgünstige Mode haben sie das Gefühl, mithalten zu können.

Durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke kauft sich ein Deutscher jedes Jahr. (v) Bezahlen wollen wir dafür aber nur wenig: Nicht einmal fünf Prozent des Haushaltseinkommens geben die Deutschen für Bekleidung und Schuhe aus. Vor 15 Jahren war der Anteil am Einkommen noch doppelt so hoch.

Wie Fast Food ist Fast Fashion schnell gekauft und schnell vergessen. Die Kleidung ist nicht auf Langlebigkeit ausgelegt, nicht darauf, die neue Lieblingsjacke zu sein, die uns die nächsten zehn Jahre vor Wind und Wetter schützt, bis sie eher aus Löchern als aus Stoff besteht. Bei Fast Fashion geht es ums Mithalten in einem Wettrennen um Stil, Beliebtheit und Ansehen.

Das Tempo ist rasant. Wir haben nicht mehr nur vier Saisons, sondern Dutzende Mini-Saisons im Jahr. (vi) Sobald ein neuer Trend auf dem Markt ist, sollen wir in den Laden ziehen und uns umstylen. Und wenn wir nicht wissen, was wir für unser neues, modernes Ich so brauchen, helfen die freundlichen Jungs und Mädchen von YouTube und Instagram gerne weiter.

Schnell muss es gehen, sonst ist der Trend schon wieder vorbei und der Style schon wieder Vergangenheit. So kommt das Fast in die Fashion. Aber wie nach dem großen Burger-Menü sind wir auch nach einer Portion Fast Fashion schnell wieder hungrig.

Je mehr wir kaufen, desto weniger haben wir anzuziehen. So fräst sich das Mehr-haben-Wollen durch den Kleiderschrank und macht aus neuer Kleidung unattraktive, langweilige Altkleider. Entsprechend türmt sich hinter Fast Fashion bald ein riesiger Berg aus Altkleidern auf, die kaum bis gar nicht recycelt werden können.

Öko sein ja, öko aussehen nein

Analog zum ebenso fettreichen wie nährstoffarmen Junk-Food könnten wir auch von Junk-Fashion sprechen: Kleidung, geschaffen für den Müll. Die übervollen Papiertüten, die manche Teenager durch die Fußgängerzonen schleppen, riechen nach nichts Gutem: nach Plastik, Chemikalien und Stoffen, mit denen man besser nicht ohne Schutzkleidung in Berührung kommen sollte.

Junk Fashion: geschaffen aus Müll, der mit zum Teil giftigen Chemikalien aus Taschen und Pullis hervormüffelt. Immer wieder finden unabhängige Forschungseinrichtungen giftige und krebserregende Stoffe in günstigen Textilen, Schuhen und Accessoires.

Greenpeace untersucht seit Jahren stichprobenhaft Textilen auf ihre Umweltfreundlichkeit. Zuletzt interessierte sich die Organisation unter anderem für Per- und Polyfluorierte Chemikalien (PFC), die Leinen, Baumwolle und andere Stoffe wasserdicht machen.

So praktisch diese Eigenschaft auch sein mag: Tierversuche lassen vermuten, dass PFCs Krebs erregen und unfruchtbar machen können. Greenpeace findet derweil immer seltener alarmierende Mengen giftiger Stoffe in unserer Kleidung, wenn diese nicht von Shein kommt. (vii)

Giftige Abwässer landen in der Umwelt

Was die Verbraucher entwarnt, bleibt für die Hersteller leider meist trotzdem ein Problem. Denn die Näher, Färber und Weber in Asien kommen dennoch damit in Berührung. Oft landen die giftigen Abwässer aus der Textilindustrie kaum oder gar nicht gefiltert in den Flüssen und in der Umwelt.

Dort harren die PFCs lange aus, im Trinkwasser, im Gemüse und in den Tieren, wo sie dauerhaft ein Gesundheitsrisiko bleiben. Auch die Verkäufer in Europa, die die schmutzige Ware tagtäglich anfassen müssen, nehmen Chemikalien durch die Haut auf. Davon hören und sehen wir auf den zurechtretuschierten Social-Media-Kanälen aber nur sehr selten.

Dabei befürworten viele Fast-Fashion-Träger eigentlich eine nachhaltige Lebensweise. So sagen 94 Prozent der Deutschen von sich, dass ihnen Umweltschutz sehr wichtig oder wichtig sei. (viii) Forscher glauben, dass wir einen starken Wunsch haben, uns ständig zu verändern. Diese innere Dynamik möchten wir durch die Kleidung nach außen tragen.

Der Wunsch nach Identität und Selbstdarstellung schubst die ökologischen Ideale lässig aus dem Einkaufskorb. Für viele soll Kleidung eher stylisch als nachhaltig sein. Deshalb ziehen viele Befragte es vor, ihren Müll zu trennen, vegane Kosmetik zu benutzten oder ab und zu im Bioladen einzukaufen. Öko sein: ja; öko aussehen: nein. (ix) Und so haben Fast-Fashion-Anbieter weiterhin leichtes Spiel.

Ines Maria Eckermann machte einen Doktor in Philosophie. Nebenbei heuerte sie als freie Mitarbeiterin bei verschiedenen Medien an und engagiert sich im Umweltschutz.

Lesen Sie auch den weiteren Beitrag von Ines Eckermann, in dem sie die Gründe für´s Shoppen erforscht: Warum Billigmode so beliebt ist

 

 

 

 

Quellenangaben

ii https://www.businessinsider.de/wirtschaft/handel/shein-warum-das-chinesische-fast-fashion-imperium-mehr-wert-als-zara-und-hm-zusammen-ist-und-laut-einer-expertin-eine-eintagsfliege-sein-koennte-a/

iii https://www.zdf.de/funk/simplicissimus-12075/funk-shein-exposed-der-schlimmste-fashion-konzern-der-welt-102.html

iv https://www.greenpeace.de/publikationen/S04261_Konsumwende_StudieEN_Mehr%20Schein_v9.pdf

v Vgl. SZ Magazin: Im Kaufrausch, online: https://sz-magazin.sueddeutsche.de/gesellschaft-leben/im-kaufrausch-82809, abgerufen am 30.11.2018.

vi https://greenwire.greenpeace.de/system/files/2019-04/s01951_greenpeace_report_konsumkollaps_fast_fashion.pdf

viii Vgl. Statista: Zustimmung zu Aussagen zum Thema Umweltschutz, online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/154280/umfrage/zustimmung-zu-aussagen-zum-thema-umweltschutz/, abgerufen am 30.11.2018.

ix Vgl. Joy, Annamma et al.: Fast Fashion, Sustainability, and the Ethical Appeal of Luxury Brands, in: Fashion Theory, 16, 2012, S. 273–295.

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Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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