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“Wir tun auch Dinge, die nicht wirtschaftlich sind”

Foto: Bohlsener Mühle
Foto: Bohlsener Mühle

Interview über Nachhaltigkeit bei Bohlsener Mühle

„Es geht nur ökologisch und gemeinsam“, ist Ole Brandt, Nachhaltigkeitsmanager bei der Bohlsener Mühle, überzeugt. Die Biobäckerei arbeitet seit 1979 nachhaltig, sie trotzt der Energiekrise mit neuen Photovoltaik-Anlagen und integriert Nachhaltigkeit in alle Prozesse des Wirtschaftens.

 

Das Interview führte Mike Kauschke

Frage: Was verstehen Sie unter einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsmanagement?

Brandt: Wir ergänzen das ursprüngliche Dreisäulenmodell der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales – um die Kultur. Dabei versuchen wir, die Nachhaltigkeitswerte wie Natur-, Klima- und Ressourcenschutz, Fairness und Wertschätzung in die Denk- und Handlungsmuster unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu integrieren, aber auch entlang der gesamten Lieferkette zu gewährleisten.

Seit 1979 verarbeitet die Bohlsener Mühle Bio-Produkte und steht so für Nachhaltigkeit, damals war das im Mainstream noch kein Thema. Hier werden biologisch angebaute Rohstoffe verarbeitet, in Zusammenarbeit mit lokalen Erzeugern um die regionale Bruttowertschöpfung anzukurbeln.

Welche Konflikte zwischen unterschiedlichen Interessen treten dabei auf und wie versuchen Sie diese zu lösen?

Brandt: Solche Konflikte gibt es im Bereich der Nachhaltigkeit ständig. Ein Beispiel ist die Elektromobilität, die man neben ihren Potenzialen natürlich auch kritisch betrachten kann. Die Mitarbeiter können bei uns auf dem Betriebsgelände kostenlos ihre Fahrzeuge mit Öko-Strom laden.

Auf der anderen Seite wissen wir, dass Elektromobilität nicht der Weisheit letzter Schluss, hinsichtlich Klimaauswirkungen aber immer noch besser als Verbrennungsmotoren ist. Wir sind zwar immer auf der Suche nach der Ideallösung, aber gleichzeitig wissen wir, dass Nachhaltigkeit ein Prozess ist.

Wenn man Nachhaltigkeit ernst meint und kein Greenwashing betreibt, rechnet sich das? Kann man damit ein Unternehmen erfolgreich führen?

Brandt: Ja, unbedingt. Das Unternehmen tut viele Dinge, die auf den ersten Blick nicht der Wirtschaftlichkeit nutzen. Wir haben eine Dinkelspelzen-Heizung nahe der Mühle installiert. So können wir die Abfälle aus der Dinkel-Produktion nutzen und gleichzeitig nahe Wärme für über 70 Haushalte in Bohlsen erzeugen.

Nachhaltigkeitsmanager Ole Brandt, Foto: Bohlsener Mühle

Das hilft, CO2 zu reduzieren und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Das ist auf den ersten Blick kein ökonomischer Mehrwert. Wenn man aber bedenkt, dass wir bisher jede Tonne CO2, die auf dem Betriebsgelände anfällt, finanziell kompensiert haben, wendet sich das Blatt. Ich glaube, dass viele von den Dingen, die wir aus Gründen der Nachhaltigkeit tun, die Grundvoraussetzung dafür schaffen, auch wirtschaftlich am Markt erfolgreich zu sein.

Der Gedanke der Nachhaltigkeit hat den Gründer der Bohlsener Mühle, Volker Krause, von Anfang an bewegt. Und dabei sehen wir uns auch heute als Vorreiter. Ein Beispiel ist die Idee der EU, ein Nachhaltigkeits-Label für Lebensmittelprodukte einzuführen. Da sind wir in die Testphase eingestiegen und haben alle unsere Produkte durch Planet Score hinsichtlich ihrer ökologischen Nachhaltigkeit bewerten lassen. Im nächsten Schritt versuchen wir auch andere Unternehmen auf diesen Pfad mitzunehmen.

Transformation ist in kleineren Einheiten oft leichter als in großen Systemen.

Die Verteuerung der Energiepreise – was bedeutet das für Sie? Was tun Sie oder sind Sie vielleicht besser vorbereitet als konventionelle Betriebe?

Brandt: Unsere Backprozesse laufen größtenteils über Erdgas, somit hat das natürlich eine große Auswirkung auf uns. Ich glaube aber, dass in solchen Krisen auch Chancen stecken, um eine Weiterentwicklung voranzutreiben. Wir haben uns z. B. entschieden, eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach zu setzen und dadurch zum Energieproduzenten zu werden.

Diese Entscheidung ist durch die Marktsituation beschleunigt worden. Wir nutzen neben Erdgas ausschließlich Erneuerbare Energien. Das macht das Unternehmen resilient.

Auch die Entwicklung der Rohstoffpreise ist eine Herausforderung. Wir haben eine nachhaltige Einkaufspolitik, in der festgelegt ist, dass wir nachhaltige Beschaffung unterstützen.

Interessanterweise sind nach Erhebungen des Agrar-Informationsdienstes Biolebensmittel zurzeit nicht so stark von Preissteigerungen betroffen wie konventionell produzierte, weil im Bioanbau keine kostenintensiven Kunstdünger verwendet werden.

Wie sehen Sie die Rolle eines Bio-Unternehmens wie der Bohlsener Mühle in der ökologischen Umgestaltung der Lebensmittel-Branche und der Wirtschaft im Allgemeinem?

Brandt: Die Bohlsener Mühle war und ist ein Bio-Pionier. Ein Beispiel ist die Kreislaufwirtschaft. Wir haben in Lüneburg einen Laden eröffnet, der nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip erbaut worden ist. Dort hat jedes Bauelement einen eigenen Pass, in dem steht, aus welchen Materialien es gebaut ist. Man könnte den Laden abbauen und woanders genauso wieder aufbauen. Wir erleben, dass Transformation in kleineren Einheiten oft leichter ist als in großen Systemen.

Nachhaltigkeit muss in alle Prozesse des Wirtschaftens integriert werden.

Der Gründer der Bohlsener Mühle, Volker Krause, spricht vom Mühlenprinzip als Grundlage für eine nachhaltige Wirtschaft? Was ist die Grundaussage dieses Prinzips?

Brandt: Die Mühle steht für das richtige Maß und sollte somit auch Vorbild für zukünftiges Wirtschaften sein. Wenn man vom radikalen Wachstumsprinzip Abstand nehmen will, braucht man eine neue Vision davon, wie in Zukunft gewirtschaftet werden soll.

Wir müssen wieder zu einem gesunden Maß finden, weg von der Überproduktion. Bei Wassermühlen, wie wir sie nutzen, ist es ursprünglich so, dass nur so viel produziert werden kann, wie Energie und Rohstoffe vorhanden sind.

Nachhaltigkeit muss in alle Prozesse des Wirtschaftens integriert werden. Das bedeutet, diese Werte mitzudenken und in Entscheidungen einfließen zu lassen. Dabei müssen wir Themen wie Gemeinwohl, gesellschaftliche Entwicklung, soziale und ökologische Verantwortung mitdenken und uns als Unternehmen über den eigenen Wertekanon bewusst sein.

Die Bohlsener Mühle bezeichnet sich auch als soziales Unternehmen. Was verstehen Sie darunter?

Brandt: Wir sind auch ein sozialer und politischer Akteur, der sich in Verbänden und in der Region engagiert. Von unserem Umsatz fließen jährlich ca. 40 Millionen Euro in die Region. Das sind die Gehälter von Angestellten, aber auch die Unterstützung von sozialen Projekten.

Im Bereich der Bildung schaffen wir Angebote, um das Unternehmen als Lern-Raum zu nutzen. Wir arbeiten zum Beispiel mit der Leuphana-Universität zusammen, die für die transdisziplinäre Forschung immer wieder wirtschaftliche Akteure sucht.

Wir unterstützen auch bestimmte Projekte wie die Brot-Brücke Ukraine oder die Tafel in Uelzen-Lüneburg. Und unsere Azubis haben kürzlich auf einem Hof in der Region für Grundschüler Bio-Brot-Boxen bestückt und ausgefahren.

Wie gestalten Sie die Unternehmenskultur mit den Mitarbeitenden im Unternehmen?

Brandt: Unsere Unternehmensphilosophie lässt sich auf den Punkt bringen: „Es geht nur ökologisch. Ökologisch geht nur gemeinsam. Und gemeinsam geht nur wertschätzend.“

In den Anfängen der Bohlsener Mühle, als alles noch um die Wassermühle herum stattfand, da traf man sich zur Mittagspause bei Volker Krause zu Hause am Küchentisch. Jetzt sind wir über 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Mühle, Backstube und den Backstraßen. Aber es ist doch etwas geblieben von dieser Küchenatmosphäre. Es wird nicht Top-down angeordnet, sondern man geht miteinander ins Gespräch.

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Mit Referenten aus verschiedenen Disziplinen.

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