Portrait von Yasemin Soylu
Yasemin Soylu (30), Tochter einer Schwäbin und eines Kurden, kämpft beruflich und im privaten Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung. Kirsten Baumbusch stellt die 30-Jährige vor, die Kulturen verbinden, Demokratie stärken und eine konstruktive Streitkultur entwickeln will.
Ein Gespräch mit Yasemin Soylu fühlt sich an wie ein wohlig-wärmendes Bad. Die junge Frau mit dem herzlichen Lachen und den fröhlichen braunen Augen widmet sich dem Gegenüber ganz und gar, taucht ein in dessen Lebenswelt und gibt Einblick in die ihre. Kaum zu glauben, dass sie in ihrem Büro am Heidelberger Hauptbahnhof die ganz dicken Bretter unserer Gesellschaft bohrt.
Von hier aus geht sie mit zwei Organisationen, in denen sie arbeitet, gegen Rassismus und Diskriminierung an und macht sich stark in der Prävention von Hass und Extremismus. Politische Bildung ist ebenso ihre Profession und wie die Förderung der Demokratie. Aber Yasemin Soylu ist keine Traumtänzerin: Sie ist erschrocken darüber, wie fast schon selbstverständlich Menschenfeindlichkeit im Alltag und in den sozialen Medien für uns geworden ist.
Sie steht ein für ihre Überzeugung, dass wir endlich lernen müssen, mit verschiedenen Meinungen umzugehen und zu akzeptieren, dass diese gleichberechtigt nebeneinander stehen dürfen. Das fast verzweifelte Bedürfnis, alles in „richtig“ und „falsch“ einzuteilen, macht sie dafür verantwortlich, dass wir Vieldeutigkeit oft kaum ertragen können.
Ihre Berufung, die sich die 30-Jährige, zum Beruf erkoren hat, ist es, Menschen zu zeigen, dass das Leben aller wie ihr eigenes Ich: widersprüchlich und komplex. Und dass wir das nicht unbedingt immer verstehen müssen, aber aushalten können.
Unsere Verantwortung ist es ihrer Ansicht nach, eine konstruktive und wertschätzende Streitkultur zu entwickeln. Allerdings bleibt in diesem offenen Aushandlungsprozess eines unverhandelbar: die Gleichwertigkeit aller Menschen.
„Wir müssen uns bewusst werden, welchen Beitrag jeder und jede leisten kann, damit wir eine Gesellschaft schaffen, in der Pluralität als das anerkannt wird, was es ist: die einzige Lösung für eine zukunftsfähiges Zusammenleben“.
„Menschen kennenlernen und mich überraschen lassen“
Yasemin Soylu ist Tochter einer in Schwaben christlich-sozialisierten Mutter und eines kurdischen, aus der ostanatolischen Türkei stammenden, muslimischen Vaters. Mehrsprachigkeit sowie das Zusammenspiel verschiedener Religionen und Kulturen sind ihr von Kindesbeinen an eine Selbstverständlichkeit.
Nach dem Abitur in der Nähe von Stuttgart hatte sie eine schwere Entscheidung zu treffen: die Querflöte und damit die Musik als Beruf zu wählen oder ein Freiwilligenjahr im Herkunftsland ihres Vaters zu absolvieren. Sie entschied sich für Istanbul und lernte die Türkei von einer neuen Seite kennen.
Hier wurde der Impuls, ihre Begabung zum Brückenbauen, ihren Tanz zwischen den Welten, zum Beruf zu machen, stärker. Sie studierte Ethnologie und Psychologie in Heidelberg und Kanada sowie Internationale Migration und Interkulturelle Beziehungen in Osnabrück.
Seit 2014 ist sie hauptberuflich in der politischen Bildungsarbeit tätig, zunächst bei der Landeszentrale für politische Bildung, wo sie auf zahlreiche Gleichgesinnte stieß. Was treibt sie an? Die Antwort kommt schnell: „Menschen kennenzulernen, mich überraschen zu lassen.“
Außerdem hat sie Erfahrung in der offenen Jugendarbeit gesammelt und mit unbegleiteten geflüchteten Minderjährigen gearbeitet. Bei Mosaik Deutschland, einem zivilgesellschaftlichen Träger politischer Bildung mit dem Motto „Mehr Miteinander wagen“, ist sie als zweite Vorstandsvorsitzende in den Schwerpunkten Antidiskriminierung und Prävention tätig. Daneben arbeitet sie als stellvertretende Geschäftsführerin bei Teilseiend, der Muslimischen Akademie in Gründung.
Hier wird Dialog auf allen Ebenen gelebt. Soylus Augen leuchten, als sie von den interreligiösen Ferienfreizeiten erzählt, in denen sich muslimische, jüdische, christliche und atheistische Kinder begegnen.
Teilseiend versteht sich als Plattform für zivilgesellschaftliches Engagement von Musliminnen und Muslimen in der Kommune, in diesem Fall Heidelberg. Hinter der Wortschöpfung steht die Zuversicht, dass es gelingen kann, ein neues Miteinander zu schaffen. Das zeigt sich in verschiedensten Formaten, unter anderem den jüdisch-muslimischen Kulturtagen.
“Traut euch, Dinge zu verändern.”
Wie kann Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften gelingen, das ist Yasemin Soylus Lebensfrage, der sie mit viel Leidenschaft und Empathie nachgeht und denen sie in Workshops, Seminaren, Trainings nachspürt. Ihr berufliches Biotop hat sie sich dafür mit anderen zusammen selbst gestaltet.
„Traut euch, Dinge zu verändern“, das sagt sie jungen Menschen, die unsicher sind, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Mut entwickeln, das zu tun, was Freude macht und Sinn stiftet, auch wenn das nicht immer hoch dotiert ist und manchmal Opfer erfordert.
Auf die Frage nach der Balance zwischen Arbeit und Leben lacht sie. Klar, wem das eigene Tun auch Herzensangelegenheit ist, der mag das alles nicht trennen. Doch naiv ist sie nicht. Sie weiß, in welcher Gefahr Menschen schweben, die nicht Nein sagen können.
Dass mit ihr zu arbeiten, auch bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, versteht sich fast von selbst. Das gilt auch für Musliminnen und Muslime. Sich abseits der Moscheen in das politische Leben dieses Landes einbringen, das will „Teilseiend“ mit seiner Muslimischen Akademie erreichen. „Raus aus der Opferrolle“, ruft Yasemin Soylu den Anderen zu, „Ihr habt die Kraft, die Dinge zu verändern, bringt euch ein in diese Gesellschaft“.
Alleine geht das freilich nicht. Auch deshalb ist das mittelgroße Heidelberg in der Metropolregion Rhein-Neckar vielleicht eine so geeignete Basisstation. Netzwerke knüpfen sich hier leichter, Bündnisse bilden sich schneller als anderswo. Begegnung ist dabei zentral. „Nur so kann es gelingen, unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen“.
Immer wieder wird die junge Frau für Argumentationstrainings angefragt. Nicht wenige kennen die Situation, bei Familienfeiern oder bei der Arbeit mit rassistischen oder diskriminierenden Meinungen konfrontiert zu werden. Wie dagegenhalten?
„Zunächst einmal gilt es, Klarheit über die eigene Haltung und die eigenen Werte zu gewinnen“. Ist der Standpunkt stabil, dann lassen sich Methoden erlernen und trainieren, um eben nicht schweigend dabei zu sitzen und nichts zu sagen.
Sich selbst zu schützen, Körpersprache bewusst einzusetzen, die eigenen Reaktionen zu bemerken und zu steuern, das kommt dann noch dazu. Und natürlich, wie könnte es anders sein, Verbündete finden, für eine bessere Welt.
Kirsten Baumbusch