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Klimapsychologie: “Verzweifeln ist keine Option”

Foto: privat
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Interview über den Weg, selbst wirksam zu werden

Wir wissen viel über die Erderwärmung, doch es hapert bei der Umsetzung. Klimapsychologin Janna Hoppmann berät Firmen, Institutionen und Einzelpersonen, die selbst für den Schutz des Klimas aktiv werden wollen. Im Interview spricht sie über die Überwindung von Ohnmacht, den Mut zum Handeln und die Vision eines guten Lebens für alle.

 

Janna Hoppmann hat sich mit Ende 20 als Sozialunternehmerin selbstständig gemacht und dabei gleich noch ein neues Berufsbild in Deutschland mitgeschaffen: die Klimapsychologie.

Das Gespräch führte Kirsten Baumbusch

Was ist wichtig über Sie zu wissen?

Hoppmann: Mein Weg hin zu meinem Beruf. Denn ich habe mich während meines ganzen Studiums für soziale Gerechtigkeit und für Klimaschutz engagiert – mit einer psychologischen Perspektive. Besonders geprägt haben mich dabei Begegnungen mit Menschen aus dem globalen Süden. Ich habe mich selbst lange sehr ohnmächtig gefühlt und mich gefragt, was mein Platz in dieser Welt sein kann.

Wann hat sich das verändert?

Hoppmann: Das Gefühl der Ohnmacht habe ich mit dem Schritt in die Selbstständigkeit als Klimapsychologin überwunden, weil wir – mein kleines Team und ich – jeden Tag merken, wie viel wir tatsächlich bewegen können.

Noch in 2021 existierte Klimapsychologie beispielsweise als Berufsfeld in Deutschland noch gar nicht. Es gab zwar Menschen, die in der umweltpsychologischen Forschung arbeiten, aber es klaffte die Lücke zwischen Forschung und Praxis.

Auf der anderen Seite befanden sich die Klimabewegungen, Unternehmen und NGOs, die Klimaschutzvorhaben umsetzen möchten. Meine Mission seit Beginn meiner Selbstständigkeit ist es, beide Welten – Forschung und Praxis – zu verknüpfen und eine Art Übersetzerin zu sein. Mit einem übergeordneten Ziel: Menschen aus ihrer Ohnmacht herausbegleiten und ihnen persönliche Wirksamkeit schenken.

Welche Vorbilder hatten Sie bei der Berufsfindung?

Hoppmann: Das waren vor allem Frauen, die sich getraut haben, Dinge anders zu machen. Beispielsweise meine Professorin der Gesundheitspsychologie, die mit ihrer herzlichen und wertschätzenden Art einerseits so viel Zuversicht und Mut ausstrahlte, uns aber auch einlud, ganz genau hinzuschauen und Sachverhalte kritisch zu hinterfragen.

Ich denke darüber hinaus an viele Sozialunternehmerinnen, die mit unternehmerischen Mitteln möglichst viel nachhaltigen Impact schaffen möchten. Sie setzen sich mit der Frage auseinander, wie Wirtschaften innerhalb der planetaren Grenzen funktionieren kann.

Als Jugendliche war ich eher Zuschauerin. Heute habe ich meine Ohnmacht überwunden.

Was ist Ihre eigene Vision?

Hoppmann: Mich begeistert es, neue Projekte zu initiieren und das große Umdenken, das wir gerade überall beobachten, mit anzuschieben. Meine Vision ist viel größer als die Arbeit, die wir im kleinen Team zu Klimapsychologie bisher leisten können.

Mir geht es um ein neues Selbstverständnis von Psychologie in einer Welt, in der wir große gesellschaftliche und ökologische Krisen lösen müssen. Es geht außerdem darum, an all den Stellen im Klimaschutz zu unterstützen, an denen der Wandel passieren muss: Menschen zusammenzubringen, die gemeinsam neue Perspektiven und Inspirationen entwickeln, auch und ganz besonders in Systemen, die zunächst gar nicht so leicht aufzubrechen sind.

Was gab es denn schon in der kleinen Janna, das ahnen ließ, was später aus ihr werden würde?

Hoppmann: Ich habe mich schon als Kind sehr dafür interessiert, wie es Menschen an anderen Orten der Welt geht. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich an einer internationalen Friedensbegegnung mit Gleichaltrigen aus acht Ländern aller Kontinente teilgenommen.

Wir haben uns vier Wochen lang über die großen Fragen der Welt, von Hunger, über Armut, Ernährungssicherheit bis hin zu Klima, Umwelt und Wasserversorgung Gedanken gemacht und dabei besprochen, wie unser eigenes Leben aussieht und was uns umtreibt. Die globale Perspektive auf Klimagerechtigkeit trage ich seitdem im Herzen.

Doch lange war ich als Jugendliche eher Zuschauerin als Teil der Transformation. In meiner Jugend war ich zwar ab und zu auf Demonstrationen, doch wie sollte ich wirklich etwas verändern? Ich bin selbst viel mit Couchsurfing von Sofa zu Sofa gereist und hatte im Gegenzug viele Menschen aus der ganzen Welt zu Besuch bei mir in Berlin. Dabei habe ich gelernt, wie die Lebensrealität in Singapur, auf den Philippinen, in Ägypten, in Russland oder Brasilien aussieht.

Die Geschichten, die mir erzählt wurden, waren jedoch häufig Geschichten der Ohnmacht: Was können wir als Individuen schon tun gegen die Krisen und Missstände? Nun als selbstständige Klimapsychologin habe ich meinen Platz gefunden und konnte damit meine Ohnmacht überwinden – indem ich andere Aktivist:innen, Organisationen und Führungskräfte bei ihren Projekten und in ihrer Klimakommunikation stärke.

Was hindert uns, gegen die Klimakrise anzugehen?

Sie schreiben, dass Sie aus dem Wendland – bekannt durch seine Anti-Atom-Demonstrationen – kommen, aber dass Sie vor allem der Amazonas geprägt hat. Was haben Sie da gelernt?

Hoppmann: Ich habe im Wald diese Kraft gespürt, die mich hat erleben lassen, wie klein wir als Individuen sind im Vergleich zur Wirkkraft der Natur. In einem so gewaltigen Regenwald wie dem Amazonas können wir die Verbundenheit mit der Natur wirklich spüren. Wir merken: Wir sind Teil allen Lebens. Das hatte ich zuvor noch nie in der Form erfahren.

Die Reise im Amazonas hat viele Fragen aufgeworfen, die mich noch immer beschäftigen: Wie kann die Lebensweise von indigenen Gemeinschaften ebenso geschützt werden wie der tropische Regenwald? Wie können wir in Symbiose leben mit der Natur – ohne sie zu zerstören?

Ich durfte ein Pilotprojekt der nachhaltigen Entwicklung in Brasilien besuchen, in der Nähe von Manaus, wo versucht wird, Schutz der indigenen Menschen und Schutz des Regenwalds zusammenzudenken. Diesen Schatz der Verbundenheit mit der Natur trage ich seitdem in mir.

Wie sieht ihre Arbeit genau aus?

Hoppmann: Zu Beginn ist mir ganz wichtig, zuzuhören und zu erfahren, was eigentlich wirklich gebraucht wird: Geht es um einen Vortrag, um erst einmal in das Thema Klimapsychologie hineinzuschnuppern?

Sollen konkrete Kompetenzen der Kommunikation in einem Workshop oder Training aufgebaut und geübt werden? Oder ist das Ziel, Führungskräften die Möglichkeit zu neuen Dialogen und Perspektiven zu bieten? Wo steht die Organisation und was genau ist der sinnvolle nächste Schritt auf dem Weg zum wirkungsvollen Handeln?

In einem ersten Bedarfsgespräch kläre ich also erst einmal, was die kühnsten Wünsche und Träume der Organisation oder Multiplikator:innen sind. Und dann schauen wir gemeinsam, was das geeignete Format sein könnte.

Unsere Angebote reichen von Online-Kursen, Einstiegsimpulsen bis hin zu mehrtägigen Trainings zu Fragen der Klimapsychologie und Klimakommunikation. Im Kern und als Ausgangspunkt steht immer die Psychologie: Was uns als Menschen antreibt, gegen die Klimakrise anzugehen, aber auch, was uns daran hindert. Was steht zwischen dem Wissen und dem Handeln? Welche psychologischen Barrieren gibt es? Es ist wichtig, gemeinsam Antworten auf diese Fragen zu finden.

Und dann?

Hoppmann: Die Erkenntnisse der Klimapsychologie werden angewendet auf den ganz konkreten Praxiskontext, wie beispielsweise der Klimabildung, des Engagements in der Klimabewegung, auf das eigene Auftreten als Führungskraft oder die Motivation von Mitarbeitenden. Oder auch auf die Frage: Wie kann guter Klimajournalismus oder gute Klimakommunikation aussehen, die wiederum andere dazu bewegen, den Schritt vom Wissen zum Handeln zu tun?

Gemeinsam mit unseren Klientinnen und Klienten finden wir auf diese Fragen die passenden Antworten und entwickeln die nächsten Schritte zur Umsetzung dieser neuen Erkenntnisse und Vorhaben in der Praxis – ob in einer Beratung oder einem Training.

Wie könnte ich aus meiner privilegierten Position verzweifeln?

Wir leben in einer Zeit der Krisen. Wie erleben Sie das?

Hoppmann: Wir leben in einer Zeit der Krisen, die sich überlagern und zusammenhängen. Die Klimakrise beispielsweise hat riesigen Einfluss auf Gleichberechtigung, Hunger, Armut und Frieden. Die Vision von einem guten Leben für alle ist etwas, was nur passieren kann, wenn wir gemeinsam an vielen Krisen der Nachhaltigkeit gleichzeitig ansetzen.

Was hindert Sie zu verzweifeln an der Größe der Aufgabe?

Hoppmann: Bei mir sind das Gedanken an die Freundinnen und Freunde auf der ganzen Welt, die mir jeden Tag wieder neue Energie geben. Wie könnte ich aus der privilegierten Position, in der mein eigenes Leben nicht akut in Gefahr ist, verzweifeln und aufhören, mich für ein gutes Leben für andere Menschen einzusetzen?

Das würde sich für mich anfühlen, als ob ich meine guten Freund:innen im Stich lasse. Abgesehen davon macht mir meine Arbeit unglaublich viel Spaß! All die Menschen zu begleiten, die sich auf den Weg zum Handeln machen, interessiert daran sind, Lösungen auf die großen Herausforderungen zu finden und andere dafür zu begeistern, das gibt mir sehr viel Energie und Kraft.

Janna Hoppmann ist selbstständige Klimapsychologin. Sie schloss 2020 ihr Masterstudium in Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der FU Berlin ab. Sie ist Gründerin des Berufsfelds Klimapsychologie in Deutschland, Sozialunternehmerin im Bereich Klimaschutz und Klimakommunikation und idealistische Gestalterin für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung. https://klima-psychologie.de/

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