Über den Film “Everything Will Change”
Der Film des Regisseurs Marten Persiel spielt in der dystopischen Welt des Jahre 2054, in der nur noch Menschen leben. Drei Freunde machen sich auf den Weg zu erkunden, warum nichts unternommen wurde, die Artenvielfalt, Wälder und Meere zu bewahren. Ein Film, der Fantasy, Road-Movie und Wissenschaftsreportage zugleich ist, und wachrütteln will.
Ben, Fini und Cherry sind drei Freunde im Jahr 2054, die viel Zeit zusammen verbringen. Sie schalten schon mal ihre digitalen Schnittstellen aus, um menschlich sehen zu können. Sie leben in einer Zeit, wo die Menschen in ihren technisch aufgerüsteten Räumen leben, sich vor allem digital treffen und auch in ihrem eigenen Körper technische Erweiterungen integriert haben.
Im Äußeren ist die Welt von Beton und Technik bestimmt. Monokulturen, Gewächshäuser und Solarpanele bestimmen die „Landschaft“, die Meere sind tot, Wälder gibt es nicht mehr, und auch keine Tiere. In dieser Welt sind die Menschen unter sich.
Mit diesem dystopischen Ausblick beginnt der Film „Everything will Change“, seit 14. Juli 2022 in den Kinos. Er ist eine ambitionierte Mischung aus Fantasy, Road-Movie, Science-Fiction, Tierdokumentation und Wissenschaftsreportage.
Darin geht es um die Frage, warum wir die Menschen ihr Handeln nicht verändern, wenn sie doch wissen, worauf es zulaufen wird. Warum wenden sie das Artensterben und die ökologische Krise nicht ab, wenn sie es doch könnten.
Und es geht um die Einsamkeit des Menschen, wenn alle anderen Schöpfungsgeschwister ausgestorben sind. Was wird aus dem Menschen, wenn er allein ist? All das sind Fragen, die Ben, Fini und Cherry im Laufe des Films stellen.
Die Menschen ziehen sich zurück ins Private
Ihre Suche beginnt in einem Plattenladen, in den Ben wegen seines Faibles für Schallplatten regelmäßig geht. Von dem rätselhaften Besitzer erhält er eines Tages einige alte Videos. Die drei Freunde sehen, wie eine Giraffe durch die Savanne läuft. Staunend entdecken sie eine von vielfältigen Tieren bevölkerte Welt.
Sie trauen ihren Augen nicht und denken zunächst, dass es eine Fälschung sein muss. Aber langsam verstehen sie, dass sie keine digitale Kreation betrachten, sondern eine bunte, vielgestaltige und wunderschöne Artenvielfalt, die es früher einmal auf der Erde gab.
Vor allem Ben lässt die Frage nicht mehr los: Was ist mit diesen Wesen geschehen? Sie suchen nach einer Antwort. Nach einer Fahrt durch die verbrannte Ödnis kommen sie an ein Schloss. Hier wird das Andenken an eine lebendige Natur mit einer Vielfalt der Arten bewahrt. Sie treffen auf Wissenschaftler, Biologen und Künstlerinnen, darunter Thomas E. Lovejoy, Mojib Latif, Joëlle Chesselet und Wim Wenders. Diese versuchen aus ihrer Sicht zu erklären, warum die Menschheit das Artensterben nicht abwendete, obwohl es sich doch klar ankündigte.
Ben und Fini fällt es schwer zu verstehen, wie die Menschheit sehenden Auges den Verlust von Leben in Kauf nahm. Die Hüter des Lebendigen im Schloss der ausgestorbenen Tierwelt sprechen davon, dass sich die Menschen an den Verlust gewöhnten, dass es langsam verlief.
Sie erklären, dass die Menschen sich ins Private zurückzogen. Zwischen verschiedenen Erklärungsversuchen sieht man wunderschöne Naturaufnahmen, aber auch solche, die eine überhitzte, brennende Erde und sterbende Tiere zeigen.
Zwischen Dystopie und Utopie
Als Ben und Fin das Schloss verlassen und Jerry von ihren Erlebnissen erzählen, haben sie eine Idee. Verzweifelt von der Ignoranz ihrer Zeit, wagen sie einen riskanten Schritt – und werden damit die Welt für immer verändern.
„Everything will Change“ zieht den Zuschauer mit einer fantasievollen Geschichte in Bann, die von einer alten Märchenerzählerin vorgetragen wird. Gleichzeitig konfrontiert der Film mit den Fragen einer nächsten Generation: Warum habt ihr nicht genug gegen das Artensterben getan, als es noch möglich war?
Der Film mit seinem etwas belehrenden Ton wird wohl vor allem die Menschen erreichen, die sich der kritischen Situation schon bewusst sind. Der Analyse, die der Film für den Grund unserer Krise bietet, hätte eine größere Vielfalt der Perspektiven gutgetan. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Transformation des Bewusstseins, das heute nötig zu sein scheint, um wirklich unser Verhältnis zur mehr-als-menschlichen Welt zu wandeln.
Auch kann man die Frage stellen, inwieweit Individuen überhaupt der wichtigste Akteur in diesem Wandel sind. Der Film richtet sich an jeden von uns und das ist gut so. Ein anderer Umgang mit der Mitwelt wird jedoch eine drastische Veränderung ausbeuterischer Wirtschaftssysteme erfordern, auf die der Einzelne nur begrenzten Einfluss hat.
Oder sind diese Bedenken letztlich nur Ausflüchte, nicht radikal zu handeln, würden Ben und seine Freunde vielleicht fragen. Dass der Film solche Reflexionen ermöglicht, ist allein schon wertvoll.
Der Film zeigt die Dystopie eines sterilen, lebensfeindlichen Planeten und weist gleichzeitig den Weg zur Utopie einer blühenden Erde in Koexistenz mit der großen Familie der Wesen. Heute stehen wir als Menschen und als Menschheit an dem Punkt der Entscheidung darüber, welche Zukunft sich den nächsten Generationen eröffnen wird.
Mike Kauschke