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Reisen: “Die Welt ist so viel größer”

Blake Wisz/ Unsplash
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Vier Fragen an fünf Autoren von Ethik heute

Menschen mögen es zu reisen und unterwegs zu sein. Wir haben Autorinnen und Autoren von Ethik heute gefragt, wie sie die Sommerferien – ob allein oder in der Familie – verbringen, was Reisen für sie bedeutet und ob sich ihr Blick auf das Reisen durch Corona und Klimakrise verändert hat. Lesen Sie die anregenden Antworten.

„Städtereisen mit Kindern können großen Spaß machen“

Nicolas Dierks, Philosoph

Wie werden Sie die Sommerferien verbringen?

Dierks: Reisen mit der Familie, teilweise auch mit den Großeltern. Dabei geht es einerseits um einen bekannten „Kraftort“ an der Nordsee, um die Batterien aufzuladen. Und andererseits um die gemeinsame Reise in eine tolle eurpäische Stadt, in der wir noch nicht gemeinsam waren, und die wir gemeinsam entdecken wollen.

Nicolas Dierks, Philosoph aus Norddeutschland

Hat sich Ihr Blick auf das Thema Reisen durch die Klimakrise oder Corona verändert?

Dierks: Wir haben schon vorher Flüge eher vermieden und Bahn bevorzugt, insofern nicht wirklich.

Was bedeuten Reisen und Ortswechsel für Sie?

Dierks: Es bedeutet, aus den alltäglichen, beruflichen Routinen auszusteigen und anderem Raum zu geben. Teilweise geht es darum, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, am liebsten gemeinsam in einem anderen Stück der Erde unterwegs zu sein, gemeinsam zu entdecken, andere Kulturen kennen zu lernen und so selbst zu wachsen und die eigene Perspektive zu bereichern.

Was haben Sie schon ausprobiert? Was können Sie empfehlen, entweder mit Kindern oder als Alleinreisende?

Dierks: Städtereisen mit Kindern können großen Spaß machen, es gibt viel zu erleben und man bekommt enorm viel „Energie“. Allerdings muss man bei Kindern und Jugendlichen darauf achten, die Aktivitäten abwechslungsreich und mit Pausen zu gestalten. Auch ist nach vier oder fünf Tagen in einer Großstadt für uns soviel neue Erfahrung aufgenommen, dass es dann gerne etwas Ländliches oder wieder das Zuhause sein darf.

 

„Wir reisen immer per Bahn oder Fernbus“

Maria Köpf, Journalistin

Wie werden Sie die Sommerferien verbringen?

Köpf: Wir sind Italienfans. Daher reisen wir im Sommer stets in unser Nachbarland Italien, das wenige Kilometer von uns entfernt beginnt. Dieses Jahr wird es wohl nur ein Kurzurlaub werden, da ich gerade hochschwanger bin.

Hat sich Ihr Blick auf das Thema Reisen durch die Klimakrise oder Corona verändert?

Maria Köpf, Journalistin aus Klagenfurt, Foto: privat

Köpf: Durch die Klimakrise durchaus. Wir nehmen für unsere Sommerreise fast immer den Zug oder den Fernbus. Wir sind überzeugt, dass Reisen in ein direktes Nachbarland auch bequem per Zug oder Bus möglich sind. Das machen wir seit der Geburt unseres ersten Kindes so. Und würden wir wahrscheinlich auch mit unserem zweiten Kind so fortführen.

Durch Corona hat sich mein Blick aufs Reisen überhaupt nicht verändert. Auf jeder Reise sind wir wahnsinnig dankbar, dass wir zu den Menschen gehören dürfen, die reisen können.

Was bedeuten Reisen und Ortswechsel für Sie?

Köpf: Reisen ist für uns zumindest zwei- bis dreimal jährlich wichtig, um neuen Eindrücken und veränderten Einstellungen zum Leben zu begegnen. Ich empfinde das so, dass wir erst so richtig abschalten können, wenn wir unserer vertrauten Umgebung den Rücken zugewandt haben.

Und wir möchten unserem Sohn ein bisschen vermitteln, dass die Welt viel größer und vielfältiger ist, als die Umgebung unserer Kleinstadt. Und zuletzt ist Reisen in wärmere Länder natürlich eine gesundheitliche Notwendigkeit – um einmal richtig zu entspannen.

Was haben Sie schon ausprobiert? Was können Sie empfehlen, entweder mit Kindern oder als Alleinreisende?

Köpf: Als Paar mit einem Kind haben wir unsere Reisen immer sehr bewusst geplant. In den ersten drei Jahren haben wir immer Strandnähe bevorzugt. Seit dem 3. Lebensjahr reisen wir in Hotels mit verschiedenen Thermalbecken oder zu größeren Naturreservoir-Thermal-Erlebnisorten.

Bevor wir unser Reiseziel auswählen, fragen wir uns immer: In welcher Phase befindet sich unser Sohn? Was sind momentan seine Bedürfnisse? Denn erfahrungsgemäß ist ein Urlaub kein Urlaub, wenn unser Kind nicht “abgeholt” wird. Das rächt sich sofort – dann wird bloß gequengelt, diskutiert und grenzüberschreitendes Verhalten gezeigt.

 

„Die Welt, in der ich guten Gewissens unterwegs bin, ist kleiner geworden“

Ina Schmidt, Philosophin

Wie werden Sie die Sommerferien verbringen?

Schmidt: Ich werde mit meiner Familie in ein Ferienhaus nach Norwegen fahren. Mit der Fähre und dem Auto, da wir seit einigen Jahren versuchen, das Flugzeug zu vermeiden. Das gelingt nicht immer, aber immer besser.

Hat sich Ihr Blick auf das Thema Reisen durch die Klimakrise oder Corona verändert?

Schmidt: Auf jeden Fall. Für mich ist Reisen immer mit Genuss verbunden gewesen, mit Abenteuerlust und der privilegierten Möglichkeit, die Welt zu entdecken: im Kleinen wie im Großen, vor der Tür genauso wie auf anderen Kontinenten.

Ina Schmidt, Philosophin aus Hamburg

Diese Sichtweise ist für mich mittlerweile alles andere als selbstverständlich; die Welt, in der ich mich guten Gewissens auf den Weg mache, ist kleiner geworden. Dafür aber nicht weniger abenteuerlich. Ich fahre mittlerweile deutlich mehr mit der Bahn und bin auch inzwischen gern mit dem Nachtzug unterwegs. Dabei wird die Fahrt selbst viel mehr Teil der Reise und es geht nicht nur darum, am Zielort anzukommen.

Was bedeuten Reisen und Ortswechsel für Sie?

Schmidt: Für mich ist Reisen und Unterwegssein ein wichtiges Mittel, um aus der Sicht auf die eigene Welt für eine Zeit auszusteigen, einen anderen Bezug zu anderen Landschaften, Menschen, Lebensmitteln zu bekommen.

So sehr mir andere Orte und Länder dabei anderes und Neues eröffnen, so froh bin ich dann auch oft genug, wieder nach Hause zu kommen. Der Moment, nach einer Reise wieder durch die eigene Haustür zu kommen, ist für mich auch ein Teil des Reisens, auf den ich mich immer wieder schon in der Vorstellung freue.

Was haben Sie schon ausprobiert? Was können Sie empfehlen, entweder mit Kindern oder als Alleinreisende?

Schmidt: Im letzten Jahr bin ich mit meinem Sohn mit dem Zug nach Südfrankreich gefahren und wir haben auf dem Weg zweimal Halt gemacht: eine Nacht in Aachen und eine Nacht in Paris. Das war großartig und das Gefühl, die Entfernung wirklich zu erfahren, die Veränderung der Landschaften durch das Zugfenster sehen zu können, hat uns beiden die Reise ganz anders erleben lassen.

Natürlich erfordert dies eine andere Planung, aber ich denke, es gilt, sich viel mehr damit zu beschäftigen, welche Reisen wir wirklich machen wollen und aus welchem Grund. Auch als Familie gemeinsam darüber nachzudenken, und Urlaubsreisen nicht nur als Abwesenheit von Job und Alltag zu sehen, kann dabei zu ziemlich interessanten Einsichten oder Kombinationsmöglichkeiten führen.

 

“Reisen, um Menschen und Orten nahezukommen“

Mike Kauschke, Journalist

Wie werden Sie die Sommerferien verbringen?

Kauschke: Ich werde zu einem Retreat nach Frankreich fahren, in dem Meditation und Dialog im Zentrum stehen, und danach einige Tage in den Alpen wandern. Seit vielen Jahren verbringe ich im Sommerurlaub einige Zeit in Retreats, die häufig auch an besonderen Orten stattfinden wie z. B. Assisi.

Für mich ist dabei das äußere Reisen verbunden mit einem inneren Reisen, ich möchte mich auch innerlich auf den Weg machen, um neue Ideen, Impulse, Möglichkeiten, Lebenskeime hervorkommen zu lassen. Die nährenden und regenerativen Kräfte im Inneren erschließen.

Mike Kauschke, Journalist und Dialogbegleiter aus Bayern

Gleichzeitig ist es so, dass mich diese Form des Reisens an das Wesentliche des Lebens erinnert, vielleicht in der Tradition der Pilgerreise. Wenn ich mich an einem Ort in eine solche innere Reise begebe, erschließt sich auch der Ort in einer besonderen Tiefe. Einen Teil meines Urlaubs werde ich auch mit dem Schreiben verbinden, das für mich auch eine Form des inneren Reisens ist.

Hat sich Ihr Blick auf das Thema Reisen durch die Klimakrise oder Corona verändert?

Kauschke: Eigentlich nicht, weil es mir immer wichtig war, in einer Weise zu reisen, die die Umwelt schont. Aber es ist schon so, dass unsere krisenhafte Zeit für mich diesen Bezug zum Wesentlichen des Lebens, den ich beim Reisen erlebe, noch wichtiger macht.

Gleichzeitig erlebe ich es als wichtige Kraftquelle in unserer Zeit, mich beim Reisen aus der Informationsflut herauszunehmen und in Meditation, Dialogen oder der Begegnung mit einer Landschaft oder einem Ort mit den schöpferischen seelischen Kräften zu verbinden und sie zu nähren.

Was bedeuten Reisen und Ortswechsel für Sie?

Kauschke: Reisen bedeutet für mich Entdecken. Mich auf einen neuen Ort offen einzulassen, mit allen Sinnen wahrzunehmen, was dort lebt: die Menschen, die Landschaft, die Lebewesen, die Kultur, die Geschichte, die Religion.

Solch ein interessiertes Wahrnehmen eines neuen Ortes weitet den Geist, erschließt mir eine weitere Erfahrung, wie wir in dieser Welt Menschen sind. Solch eine Begegnung braucht Zeit, Entschleunigung, Achtsamkeit. Reisen als Konsum von Orten und „Sehenswürdigkeiten“ erreicht diese Tiefe für mich nicht.

Was haben Sie schon ausprobiert? Was können Sie empfehlen, entweder mit Kindern oder als Alleinreisende?

Kauschke: Ich habe immer versucht, auf eine Weise zu reisen, die dem Ort und den Menschen nahekommt. Also keine sterilen Großhotels, sondern Unterkünfte direkt bei den Menschen oder unmittelbar in der Natur, z. B. mit dem Zelt. Keine Reisegruppen, sondern allein, zu zweit, als Familie oder Freundeskreis.

An die Orte gehen, wo die Menschen sind, die dort leben. Und dabei eine Haltung der Neugierde, der Offenheit einüben, um durch das Fremde berührt und erweitert zu werden.

Mit dieser Haltung kann man übrigens auch den eigenen Wohnort, die Stadt, Landschaft, Region, in der man lebt, neu entdecken. Ein „Ortswechsel“ kann auch bedeuten, einen bekannten Ort neu und tiefer wahrzunehmen. Für mich sind „Mikroreisen“ in die Umgebung das ganze Jahr über eine Quelle der Regeneration.

 

“Beim Campen merkt, man, wie wenig man zum Glücklichsein braucht”

Sarina Hassine, Web-Redakteurin beim AVE Institut

Wie werden Sie die Sommerferien verbringen?

Hassine: Wir werden viel draußen sein im Garten, weil wir glücklicherweise in herrlicher Natur wohnen. Dann treffen wir uns mit Freunden an der Ostsee auf unseren Lieblingscampingplatz. Und wie jedes Jahr werden wir Zeit auf unserem Hausboot verbringen und über die Brandenburger Seen tuckern.

Hat sich Ihr Blick auf das Thema Reisen durch die Klimakrise oder Corona verändert?

Sarina Hassine, Journalistin aus Brandenburg, Foto: privat

Hassine: Ja auf jeden Fall. Ich möchte nur noch fliegen, wenn es anders nicht geht. Aber natürlich möchte ich meinen Kindern auch die Welt zeigen und selbst andere Kulturen und Landschaften kennenlernen. Hier heißt es, bewusst abzuwägen und zu entscheiden.

Was bedeuten Reisen und Ortswechsel für Sie?

Hassine: Reisen eröffnet mir neue Perspektiven. Viele Dinge relativieren sich. Beim Campen z.B. spielt Komfort eine kleinere Rolle und man merkt, wie wenig man zum Glücklichsein braucht.

Wenn man in ärmeren Ländern unterwegs ist, wird einem der eigene Reichtum bewusst und man wird demütiger. Oder wenn man in den Rhythmus einer südländischen Kultur eintaucht, ist es plötzlich okay, dass die Kinder bis nachts um zehn noch herumtoben. Das tut gut. Und wenn man heimkommt, kann man sich wieder an dem Gewohnten erfreuen.

Was haben Sie schon ausprobiert?

Hassine: Besonders spannend war meine Reise durch Argentinien, bei der wir weite Strecken mit Bussen gereist sind und ganz unterschiedliche, faszinierende Landschaften erlebt haben, zum Beispiel das tropische Klima bei den Wasserfällen von Iguazu oder die trockenen Zonen in den Bergen der Anden.

Was können Sie empfehlen, entweder mit Kindern oder als Alleinreisende?

Hassine: Als die Kinder noch nicht in der Schule waren, haben wir den Winter gerne auf den Kanaren verbracht und uns dort mit Freunden getroffen, die wir sonst selten sehen. Das war immer das Highlight des Jahres.

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