Von einer Karawanentour durch die Sahara
Isabel Viramo von Roon begleitet Gruppen in die Wüste, damit Menschen tiefe Erfahrungen von Stille und Einfacheit machen können. Der sanfte Tourismus ist nicht nur eine Chance für gestresste Menschen, sondern ermöglicht es angestammten Berberfamilien, ihr traditionelles Leben weiterzuführen.
„Ich habe die Wüste immer geliebt, sagte der kleine Prinz.
Man setzt sich auf eine Sanddüne.
Man sieht nichts, man hört nichts.
Und währenddessen strahlt etwas in der Stille.“ (Antoine de St. Exupéry)
„Die Wüste ist magisch. Ein unbeschreiblicher Ort. Sie zieht Menschen in ihren Bann. Manche kommen immer wieder und können nicht mehr ohne sie sein“, sagt Isabel Viramo von Roon, eine Berliner Therapeutin und Meditationslehrerin, die Touren in die Sahara begleitet.
Seit sie erstmals dort war, fühlt sie sich auch dem Wüstenvolk der Berber tief verbunden. Das nomadenhafte Leben kennt sie aus ihrer Familie, die häufig umgezogen ist. „Nirgends gehörten wir dazu. Immer wieder waren da neue Orte, neue Wohnungen, neue Freunde,“ so die Wüstenreisende.
2012 führten sie der Berber Brahim und seine Brüder auf ihrer ersten Karawanentour durch die Sahara. In der Weite der Wüste erfuhr sie eine bis dahin nicht gekannte Freiheit. Zumal die Kargheit des Wüstenlebens die Befreiung von vielem einfordert, was uns so als so wichtig erscheint. Wer sich auf einen Karawanenweg begibt, lernt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
„Wer in die Wüste geht, liebt die Stille mehr als laute Unterhaltung, das einfache Leben mehr als den Konsum, das Ursprüngliche mehr als das Kultivierte“, sagt sie. „Sobald ich die Wüste sehe, entspannt sich etwas in mir und wird ganz weit. Es ist, als ob ich auf der Erde ankomme und wieder Boden unter den Füßen bekomme. Die Wüste erdet ganz phänomenal.“ Diese Erkenntnis will sie den Menschen vermitteln, die sie seit nunmehr vier Jahren auf ihren Reisen in die Wüste führt.
Die Stille der Wüste
Nirgendwo sonst ist man dem Lärm der Welt so entrückt wie in der Wüste. „Hier begegnest du dir ganz anders, da du keine Ablenkung hast. Der weite und stille Raum, die Kargheit und Reizarmut haben eine hohe Qualität“, erzählt sie.
Die Stille umhüllt den Menschen und wirkt von außen nach innen. Hier entsteht Raum für Erkenntnis und Veränderung. Deshalb zog die Wüste immer schon die Wahrheits- und Weisheitssucher in ihren Bann. In ihr suchten auch die frühen christlichen Mönche, die Wüstenväter, nach Weisheit und innerem Frieden. Als Eremiten lebten sie ein asketisches Leben und fühlten sich an diesem von Menschen verlassenen Ort Gott nahe.
Isabel Viramo von Roon konnte über die Jahre beobachten, dass die Stille der Wüste bei den Menschen innere Prozesse in Gang setzt, die Heilung fördern: “Ich erlebe die Reisen in die Wüste jedes Mal als transformierende und zutiefst beglückende Erfahrung. Es fehlen die gewohnten Ablenkungen. Stattdessen erfahren wir Momente von ungewohnter Stille und Weite, so dass ganz neue Aspekte unserer selbst zum Vorschein kommen können”.
Gerade gestressten Stadtmenschen bietet die Wüste damit einen Ort, zur Ruhe zu finden: „In den Nächten unter dem weiten Sternenhimmel ist es mucksmäuschenstill. Du hörst nichts – außer vielleicht dem Knistern des Feuers und dem Schmatzen der Kamele.“
Der Mensch als Teil der Natur
Hier bestimmt die Natur den Tagesablauf. Wer in die Wüste zieht, tritt in intensiven Kontakt mit Sonne, Wind, Sand und der kargen Vegetation. Die Elemente in der Wüste sind extrem und kraftvoll. „Nachts wird es kalt. Und so freust du dich am Morgen, wenn die Sonne aufgeht, damit es wärmer wird. Und am Abend freust du dich, wenn die Sonne wieder untergeht, damit es nicht mehr so heiß ist“, erzählt sie.
„Du erlebst dich als Teil der Natur. Und nimmst dich in deiner Kleinheit und deinem Ausgeliefertsein wahr. Wenn du die anderen verlierst, gehst du alleine verloren. Wenn du kein Wasser mehr hast, drohst du zu verdursten.“ Jeder, der in die Wüste zieht, weiß fortan, wie kostbar Wasser ist. „Aman iyman“ sagen die Berber deshalb: Wasser ist Leben.
„Der Himmel ist von einer Weite, die dir den Atem raubt. Jeder Sonnenuntergang ist ein Naturereignis. Und wenn der Mond aufgeht, dann erstrahlt die Nacht in wundervoller Helligkeit. Es gibt ja weit und breit keine andere Lichtquelle, nur den Mond über dir. Du siehst die Milchstraße, die sich wie ein breites Band über den Himmel zieht. Und Abermillionen funkelnder Sterne.”
Barfuß durch den Wüstensand
Für die Menschen, die mit der Karawane für eine Woche oder länger in die Wüste ziehen, ist dies auch ein Weg zu sich selbst. Es wird daher viel geschwiegen an diesen Tagen. Der Morgen beginnt mit einer Meditation.
Nach dem von den Berbern zubereiteten und in Stille eingenommenen Frühstück bricht die Karawane auf. Die Kamele tragen das Gepäck, den Proviant und mitunter auch einen der erschöpften Wüstenwanderer. Ohne diese ausdauernden und geduldigen Tiere wäre das Nomadenleben in der Wüste gar nicht möglich.
Ein besonders intensives Erlebnis ist es, barfuß durch den Wüstensand zu gehen, berichten die Reisenden. Das Gehen im Schweigen selbst wird zur Meditation. Und zur Achtsamkeitsübung. Denn es gibt viel zu sehen in dieser auf den ersten Blick so kargen Landschaft: flinke Vögel, die die Karawane begleiten, Frösche, die in den wenigen Quellen quaken, ein Wüstenfuchs, der über die Düne huscht, der Leguan, der reglos in der Sonne liegt.
Erst nach der Ankunft am nächsten Etappenziel wird das Schweigen in der Gruppe aufgehoben. Dann tauschen sich die Reisenden über ihre Erfahrungen auf dem Weg aus, bevor mit der Abendmeditation wieder die Stille einzieht. Wer möchte, kann für die Nacht Schutz in einem Zelt suchen. Die meisten Wüstenreisenden jedoch wollen unter freiem Himmel schlafen.
Und während anfangs alle noch eng beieinander am Feuer liegen, werden einige mit der Zeit mutiger und suchen sich ihre eigene Düne, um dort ihren Schlafsack zu entrollen. Die Wüste lehrt die Menschen, sich ihren Ängsten zu stellen und diese zu überwinden. Nicht von ungefähr lautet das Lebensmotto von Isabel Viramo von Roon: „Jenseits der Angst liegt die Freiheit“.
Die Herzenskultur der Berber
Geführt wird die Karawane von Brahim und seinen Brüdern, die in der Wüste aufgewachsen sind. Das Leben in der Sahara ist ihnen vertraut, auch wenn die Nomadenfamilien mittlerweile am Rand der Wüste sesshaft geworden sind. Oder besser gesagt: Sesshaft werden mussten.
Respektvoll, freundlich und aufmerksam begleiten sie die Menschen durch die ihnen so vertraute Natur. Vier Kamele gehören der Familie inzwischen und stellen die Lebensgrundlage dar. Wüstentouren wie diese bewahren Brahim und seine Brüder davor, ihre eigene Kultur und Tradition verlassen zu müssen, um entfremdete Arbeit in den großen Städten zu suchen.
Der sanfte Tourismus macht es ihnen möglich, ihren Lebensunterhalt in der Wüste zu verdienen. Zumal der gesamte erwirtschaftete Überschuss dieser Reisen bei der Familie vor Ort bleibt.
Mittlerweile ist Isabel selbst Teil der Familie. Auch wenn sie nur selten in Marokko sein kann. Denn im Sommer 2017 heiratete sie Brahim. Und besiegelte damit die Herzensverbindung, die bereits bei ihrer ersten Begegnung entstand. Allen Hindernissen zum Trotz.
„Die Berber sind Herzensmenschen“, sagt sie. Die Gastfreundschaft dieser freundlichen, heiteren Menschen ist legendär. Ganz selbstverständlich teilen sie mit anderen alles, was sie haben. Sie sind Naturmoslems und zutiefst religiöse Menschen.
„Ihr Hauptwert ist Respekt. Respekt vor allem. Ich habe Brahim noch nie schlecht über andere Menschen reden hören. Auch dann nicht, wenn es große Probleme mit ihnen gab“, erzählt sie.
Brahims Mutter hieß sie von Anfang an in der Familie willkommen. An der Hochzeit steckte sie ihr den Ring an. Damit wurde die in Berlin lebende Buddhistin in die moslemische Großfamilie aufgenommen.
Christa Spannbauer
Informationen zu den Wüstenreisen finden Sie hier: http://www.sahara-karawane.de/home/
Mehr zu Isabel Viramo von Roon