Tomorrow: Ein Mutmachfilm
Der Film „Tomorrow“, 2015 über Crowdfunding finanziert, dokumentiert zukunftsweisende Projekte in zehn Ländern. Er zeigt Alternativen für Schlüsselbereiche unserer Gesellschaft auf: Lebensmittel, Energie, Wirtschaft, Demokratie und Bildung. Ein Mutmachfilm für alle, die an eine gute Zukunft glauben.
Der Planet Erde und damit auch das Schicksal aller Menschen steht am Wendepunkt. Einige Wissenschaftler meinen, dass die Ökosysteme in weniger als 50 Jahren zusammenbrechen könnten, wenn wir weiter machen wie bisher. Kann der Weltuntergang verhindert werden? Der französische Aktivist Cyril Dion und die Schauspielerin Mélanie Laurent meinen ja. Sie haben als Vision alternative Projekte in zehn Ländern für den Film „Tomorrow“ dokumentiert.
Es geht um Menschen, die mit ihrer Arbeit eine andere Welt schaffen; die zusammen arbeiten; die sich für einander Zeit nehmen; kurz: es geht um mehr Gemeinschaft. Um die emotionale Dimension zu unterstreichen, werden 19 Lieder im Jazz-Pop-Stil von Fredrika Stahl als Hintergrundmusik opulent eingesetzt.
Die Filmkritiker sind begeistert. Im Jahr 2016 wurde der Film mit dem César als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. Über 1,3 Million Menschen haben ihn gesehen, obwohl das Budget von 1,2 Millionen Euro, das über Crowdfunding finanziert wurde, nicht üppig war.
Der Zuschauer solidarisiert sich
In zwei Stunden werden die Kapitel Nahrung, Energie, Wirtschaft, Demokratie und Bildung auf Probleme und Alternativen untersucht. Der Zuschauer solidarisiert sich mit dem alternativen David, der gegen den Goliath der globalen Konzerne und Finanzinteressen kämpft. Denn die Wirtschaft lässt sich nicht von der Ökologie trennen, so die Botschaft. Nur gemeinsam überleben sie. Es ist ein Plädoyer für Nachhaltigkeit und höhere Werte statt bloßer Gewinnmaximierung.
Im Kapitel Landwirtschaft wird mit „Urban Agriculture“ die Begrünung von Detroit vorgestellt. Seit 2006 sind rund 1.400 Farmen und Gärten ohne viel Platzaufwand, Dünger oder Maschineneinsatz entstanden. Oder das Projekt „Incredible Edible“ (unglaublich essbar): Es versorgt die 15.000 Einwohner der englischen Kleinstadt Todmorden mit Lebensmitteln aus dem Eigenanbau. Das wirkt sich positiv auf das Sozialverhalten aus und vermindert die Kriminalität.
Ohne die Kleinbauern hat die Welt nicht genug zu essen, deshalb sollte man sie stärker unterstützen. Die Inderin Vandana Shiva, die sich für den Schutz von biologischer und kultureller Vielfalt des Saatgutes einsetzt, sagt: „Kleinbauern ernähren die Welt. Die industrialisierte Landwirtschaft ist ineffizient und nur dazu da, Geld zu verdienen.“ Wie wirkungsvoll alternative Landwirtschaft sein kann, zeigen Charles und Perrine Hervé-Gruyer in der Normandie. Sie bauen Gemüse mit Methoden der Permakultur auf ihrer Farm Bec Hellouin organisch an. Das ist ertragreicher als die herkömmliche Landwirtschaft.
Trailer zum Film
Auch die Wirtschaft wird neu gesehen. Bernard Lietaer, Ökonom und, laut Business Week „bester Währungshändler der Welt“, stellt fest, das bisherige Währungssystem fördere nur die Konkurrenz, verhindere aber Gemeinsinn. Er plädiert für eine Koexistenz unterschiedlicher Währungsformen, denn erst eine lokale Währung schaffe einen sozialen und wirtschaftlichen Mehrwert.
Da die Politik nicht ausreichend auf die Herausforderungen des Klimawandels reagiert, haben rund 450 Kommunen in der westlichen Welt, vor allem in England, die Transition Towns initiiert. Dieses Gemeinschaftsprojekt wurde vom britischen Dozenten und Umweltaktivisten Rob Hoskins angeregt. Hierzu gehören Maßnahmen, weniger fossile Energien einzusetzen und die regionale und lokale Wirtschaft zu stärken. Diese Bewegung ist auch in Deutschland aktiv.
Ein weiteres Feld ist die Müllentsorgung. Spezialisten in San Francisco sehen Müll als Rohstoff: „Heute erreichen wir im Recycling eine Quote von 80 Prozent.“ Bis 2020 sollen hundert Prozent aller Abfälle recycelt werden. In Deutschland wird das eher kritisch gesehen, manche sprechen sogar vom „Recycling-Märchen“. Nur bei der Wiederverwendung von Glas-Bierflaschen werden hierzulande neunzig Prozent erreicht. Das reicht wohl kaum, um die Welt zu retten.
Der Film hat auch Schwächen. Durch die eingängigen Melodien, die vielen klugen Menschen, die lachenden Kinder und ewig blühenden Felder wirkt er manchmal wie ein Werbefilm. Die Untertitel laufen so schnell, dass es ermüdend ist, alles zu lesen.
Fazit: Die vorgestellten Projekte und Akteure eignen sich hervorragend, um in das Thema alternative Zukunftsmodelle einzusteigen. Die vielen unterschiedlichen Ansätze, eine grüne Zukunft zu schaffen, regen dazu an, eingefahrene Wege zu verlassen. Sie machen Mut mitzumachen. Das alles wird nicht ausreichen, um die Welt zu retten, aber es ist ein hoffnungsvoller Anfang.
Gerald Blomeyer
Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen. Frankreich 2015. Regie: Cyril Dion, Mélanie Laurent. 118 Min. Auch als Buch (2017) erhältlich. Zur Filmseite
Filmemacher Cyril Dion gründete mit seinem aus Algerien stammenden Freund Pierre Rabhi die Bewegung Colibri, mehr Infos