Ein Essay von Heidemarie Bennent-Vahle
Eifersucht ist eine heftige Emotion, die leicht außer Kontrolle gerät. Doch muss die Vernunft angesichts der destruktiven Kraft kapitulieren, fragt die Philosphin Heidemarie Bennent-Vahle. Sie empfiehlt, sich Eifersucht einzugestehen und möglichst angemessen zu reagieren. Liebe bedeutet, dem anderen Glück und Freiheit zuzugestehen.
„Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.“
(Franz Grillparzer 1791-1872)
Eifersucht in Liebesverhältnissen gehört fraglos zu den heftigsten Affekten überhaupt. Denn sie ist ein Leiden, das ein intensives persönliches Anliegen voraussetzt, das an den tief in uns verankerten Wunsch rührt, ‚in bestimmter Hinsicht‘ von einer anderen Person ‚bevorzugt‘ zu werden.
Wie wir wissen, treibt insbesondere enttäuschte Liebe Menschen oft zu irrwitzigen Schritten mit ruinösen Auswirkungen auf das Leben vieler Beteiligten, manchmal über mehrere Generationen. Eifersucht hat die Tendenz, außer Kontrolle zu geraten. Sie führt uns — eindringlicher als jedes andere Fühlen — die schwer zu bewältigende Eigendynamik emotionaler Prozesse vor Augen.
In der Regel mobilisiert sie ungeheure Imaginationskräfte, setzt ein ‚Kopfkino‘ in Gang und gerät im Bilderstrom außer Rand und Band. Dabei entspricht ihr ein höchst widersprüchliches Verhalten, insofern die Angst vor dem Verlust der geliebten Person zu Aktionen verleitet, die am Ende genau das vorantreiben, was unbedingt vermieden werden soll: das endgültige Verschwinden der Partnerin oder des Partners.
Die Eifersüchtige scheint gleichsam besessen etwas zu suchen, das im Leiden liegt und nicht im Glück oder Wohlergehen. Schon Petrarca schrieb: „Eifersucht, die Begleiterin der Liebe, hat (…) brennende Eile, alles zu glauben, was nicht erfreut. Nicht durch Tatsachen allein, schon durch Schatten und Träume läßt sie sich schrecken.“
Der fundamentalen Unsicherheit kann nur mit Vertrauen begegnet werden
Weil die Gedankenwelt der Eifersüchtigen vielfach nur geringen Bezug zur Realität erkennen lässt, heißt es, die Eifersucht besitze von allen Emotionen die weitaus größte Affinität zum Wahn. Auch da, wo bereits nachweislich handfeste Anhaltspunkte für Untreue oder ‚Verrat‘ vorliegen, befeuert die Macht der Phantasie das Gemüt des Zweifelnden noch weiter. Man stellt sich alles Mögliche vor, was zwischen zwei anderen vor sich gehen könnte.
Hier kommt ein grundsätzliches Problem des Zwischenmenschlichen zum Tragen: nämlich unsere Unwissenheit in Bezug auf andere Menschen, welche auch in Nähebeziehungen niemals vollends auszumerzen ist.
Letztlich ist es so, dass wir dieser fundamentalen Unsicherheit, die mit der Freiheit und Verborgenheit des Anderen verknüpft ist, einzig durch Vertrauen und insbesondere durch Selbstvertrauen begegnen können.
Gerade in der Liebe jedoch tendieren wir zu irrationalen Beurteilungen, denen sich Dritte kaum anzuschließen vermögen. Eifersucht ist in hohem Maße die Reaktion auf ein imaginiertes Geschehen: Je mehr jemand sich aber zusammenphantasiert, umso mehr glaubt er daran und wird von diffusen Ängsten umgetrieben. Deshalb scheint sich Eifersucht stärker als jede andere Emotion konsequent dem Zugriff von Logik und Vernunft zu entziehen.
Eifersucht spiegelt Angst und Verletzlichkeit
Eifersucht als intensivste Gemütsbewegung führt vor Augen, wie durchschlagend destruktiv das Affektleben wirken kann. Beharrlich bezeugt sie die Kapitulation der menschlichen Vernunftfähigkeit und gilt den Philosophen darum seit jeher als Negativemotion par excellence
Mittlerweile spricht man von der „kognitiven Undurchdringlichkeit“ bzw. „Irrtumsimmunität“ eifersüchtiger Gedanken, weil diese stets mehr sind als eine adäquate Reaktion auf bestimmte Sachverhalte in der Welt, die sich als richtig oder falsch erweisen können.
Vielmehr spielen unbezwingbare Projektionen eine Rolle, reflexartige, spontane Schnellurteile, hervorgehend z.B. aus starren Erwartungshaltungen, aus eingefahrenen Besitzansprüchen sowie immer auch aus der je individuellen Geschichte vorheriger Enttäuschungen und unerfüllter Wünsche.
Eifersucht ist tief in den intrapsychischen Gegebenheiten einer Person verankert, ist ein Spiegel ihrer Angst und Verletzlichkeit, zeigt ebenso ihre Bereitschaft zu Empörung, Zorn und Hass an. Und dennoch ist festzustellen: Nicht jede Kränkungserfahrung ist mit desaströsen Handlungsimpulsen verbunden, nicht jede Person beantwortet Verlustängste mit Rachegedanken, so sehr auch sie herbeisehnen mag, dass die Angstspannung verschwinde.
Eifersucht ist eine erworbene Emotion
Warum also schlagen wir in der Eifersucht so oft jede sich bietende Chance der Selbstbesinnung aus? Warum bleibt gerade diese Emotion so häufig uneingestanden? Warum werden durch sie ausgelöste brutale Aktionen vielfach uminterpretiert, d.h. anderen salonfähigen Motiven zugeführt?
Zunächst ist festzustellen: Eifersucht ist eine Dreiecksgeschichte mit mindestens einer Verliererin. Dabei ist offensichtlich, dass es in hohem Maße von individuellen emotionalen Dispositionen abhängt, wie jemand auf sich anbahnende Verluste und Niederlagen reagiert.
Doch wir müssen sehen, solche Dispositionen können nur verstanden werden, wenn wir sie als erworbene betrachten und auch die kulturellen Faktoren beachten, die sich tief in die emotionalen Reaktionsweisen eingeschrieben haben.
In den westlich geprägten Gesellschaften entwickelt sich der/die Einzelne nun schon seit geraumer Zeit in einem sozialen Klima, welches von Neid, Konkurrenz- und Rivalitätsdenken geprägt ist. Damit verknüpft ist der Rückgang traditioneller Normen und Werte, was Desorientierung und Verunsicherung nach sich zieht. Zugleich wachsen die Leistungsansprüche, Selbstoptimierungsimperative und das Mantra freier Selbsterschaffung werden beherrschend.
In der Folge nehmen affektive Abstürze in Burnout und Depression zu. Angesichts dieser Gemengelage verwundert es nicht, wenn die Eifersucht in neuer Weise Fahrt aufnimmt.
Das Problem verleugneter Eifersucht
Seit den 1960er Jahren entstand ein höchst kritischer Diskurs über die Eifersucht im Zeichen emanzipatorischer, sozialkritischer Ziele. So sieht etwa Ernest Bornemann die Eifersucht als „sexuelle(n) Niederschlag des Privateigentums“ an und erblickt in ihr primär den Ausdruck patriarchalischen Macht- und Besitzstrebens.
Eifersucht sei Ausdruck emotionaler Abhängigkeit von anderen, sie sei nicht kompatibel mit dem Bild eines souveränen Ichs, welches — sich selbst liebend — jedwedes Anspruchsdenken und alle rachsüchtigen Impulse überwindet.
Seitdem herrscht Zerrissenheit. Weite Teile der Folgegeneration sind hin- und hergerissen zwischen unvereinbaren Gefühlen: Auf der einen Seite stehen spontane Eifersucht und die Angst, allein gelassen zu werden. Auf der anderen Seite gibt es Eifersuchtsverleugnung und die Angst, abhängig und rückständig zu erscheinen. Oft kommt es vor, dass intellektuelle ‚Vorreiter‘ ihre Eifersucht verleugnen, während sie penibel über die eigenen Partner wachen.
An dieser Stelle könnten wir beginnen zu lernen, dass wir — als emotional in die Welt verwobene Wesen — sehr oft nicht diejenigen sind, die wir zu sein glauben. Nichts allerdings bahnt sozial destruktiven Emotionen so leicht einen Weg wie ihre Verleugnung bzw. Aussparung aus dem eigenen Selbstbild.
So wirkt der Racheimpuls der Eifersucht vor allem dann ‚bahnbrechend‘, wenn diese Emotion eine uneingestandene, ‚ungelüftete‘ Antriebskraft bleibt, wenn sie vielleicht sogar stellvertretende Aktionen nach sich zieht, für die sich salonfähige Rationalisierungen finden lassen.
Verleugnete Eifersucht, für die man dennoch ein Ventil suchenmuss, wirkt sich vermutlich weitaus destruktiver auf jede Beziehung aus als eine offen gelegte Unzufriedenheit, die sich ehrlich ausspricht.
Berechtigen Schmerz anerkennen
Sind wir hingegen bereit, Eifersuchtsregungen bei uns selbst einzugestehen und versuchen wir diese zugleich als gewordene, immer auch gesellschaftlich bedingte Phänomene zu betrachten, so eröffnen sich neue Chancen, in Distanz zu unseren persönlichen Dispositionen zu treten.
Es wäre beispielsweise unbedingt notwendig, einen Unterschied zu markieren zwischen rasender Eifersucht, die aggressiv über andere verfügen will, und einer eher passiven Qual im Verlustschmerz um den (vielleicht) verlorenen Geliebten, die häufig in Erstarrung mündet.
Sollten wir uns nicht zugestehen, Anerkennung zu suchen und eine besondere Form der Nähe und Intimität zu ersehnen? Ist es nicht verständlich, wenn der Verlust eines solchen ‚Privilegs‘ mit Traurigkeit beantwortet wird und mitunter auch Groll gegenüber der Rivalin wachruft?
Denn wie auch immer es ausgeht, eine intakte Vergangenheit scheint unwiderruflich verloren. Wem sollte all dies nicht zusetzen?
Eifersucht ist kein Beweis der Liebe
Emotionen entfalten sich im Lichte unseres jeweiligen Weltverstehens auf je spezifische, individuell disponierte Weise. Sie zeigen gewissermaßen, wer wir sind. Dabei sind Emotionen stets auch von unseren Urteilen und Wertsetzungen bestimmt, haben also (verborgene) gedankliche Anteile.
Da wir das enthaltene Weltverstehen im Prinzip befragen und auch korrigieren können, ist es wichtig, über die Angemessenheit emotionaler Regungen nachzudenken, so ‚natürlich‘ sie uns auch erscheinen mögen. Noch dringender ist es allerdings, die Angemessenheit der Handlungsweisen abzuwägen, zu denen Emotionen antreiben.
Diese Überlegung ist auch dann notwendig, wenn wir genau wissen, dass Eifersucht keinesfalls grundlos ist. Auch dann, wenn die Untreue eines Partners offensichtlich wird, können wir fragen, ob wir nicht überreagieren, wenn wir etwa der Nebenbuhlerin die Autoreifen zerstechen oder gar weitaus Schlimmeres zufügen. Moralisch zu verantworten haben wir nicht das Aufkommen einer Emotion, sondern die Aktivität, die durch sie in Gang gesetzt wird.
Generell drängt sich hier natürlich die Frage auf: Passen ausagierte Eifersucht und Liebe überhaupt zusammen? Ist es klug, Eifersucht als Liebesbeweis zu deuten, wie es oft geschieht?
Fraglich erscheint doch eine Liebe, die die Andere nur im Lichte persönlicher Bedürfnisse und Ansprüche zu betrachten weiß. Bedeutet Liebe nicht vielmehr, das Wohlergehen des Gegenübers anzustreben und seine Freiheit anzuerkennen? Zu dieser Gabe ist wohl nur diejenige befähigt, die ohne Selbstzweifel in sich ruht. Wer aber könnte dies so ohne Weiteres von sich sagen?
Liebe basiert auf Freiwilligkeit
Besitzergreifendes Verhalten, panisches Klammern, Misstrauen, Angst und Verstellung behindern die Entfaltung wirklicher Liebe, die stets auch das Glück des Anderen sucht. Eine solche Liebe müsste sogar bereit sein, den Anderen ziehen zu lassen, wenn dieser es will. Weil Liebe auf Freiwilligkeit basiert, ist jedes Erzwingen-Wollen am Ende sinnlos.
Da Eifersucht an tiefste Selbstgefühle und Sehnsüchte rührt, ist ihr durch Nachdenken kaum jemals restlos beizukommen. In der Paarbeziehung setzt Verlustschmerz regelmäßig alle vernünftigen Abwägungen außer Kraft.
In der Liebe, aber auch in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen – in Freundschaft, im kollegialen Kontext, im Schüler-Lehrer-Verhältnis etc. — empfinden Menschen Neid und Missgunst, wenn andere bevorzugt werden. Viele leiden unablässig an allen möglichen Formen der Zurücksetzung.
Schließlich muss man lernen, damit zu leben. Während rasende Eifersucht und verbissener Neid kopflos gegen das Schicksal anrennen, ohne es jemals bezwingen zu können, mag den Nachdenklichen eine sanfte Schwermut angesichts unausweichlicher Geschehnisse ergreifen. Doch gerade in der Befreiung von Erfolgszwängen und in der Akzeptanz des Unverfügbaren kann sich eine besondere menschliche Größe entfalten.
- Dr. Heidemarie Bennent-Vahle betreibt eine Philosophische Praxis in Henri-Chapelle/Belgien. Sie war viele Jahr im Vorstand der IGPP (Internationale Gesellschaft für Philosophische Praxis), wo sie jetzt im wissenschaftlichen Beirat mitarbeitet. Sie ist Mitglied des BVPP (Berufsverband Philosophische Praxis), wo sie u. a. auch ausbildend tätig ist. Sie ist auch Buchautorin, u.a. Besonnenheit – eine politische Tugend. Zur ethischen Relevanz des Fühlens, Verlag Karl Alber 2020
Foto: Jo Magrean