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Online-Dating: Was die Liebe braucht

Good Faces/ Unsplash
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Was wichtig ist, wenn man eine dauerhafte Beziehung anstrebt

Gute Beziehungen hängen vor allem von der inneren Zufriedenheit der beiden Partner ab, nicht von äußeren Dingen. Wie aber findet man beim Online-Dating heraus, ob jemand dauerhaft zu einem passt? Die Autorin regt an, sich ehrlich zu fragen, was man in der Liebe braucht.

Vielen Menschen in Europa scheint es immer schwerer zu fallen, langfristige und gesunde Beziehungen zu leben. Dies scheint weniger an den Institutionen und Rahmenbedingungen zu liegen, als an veränderten Werten. In Deutschland werden rund 35 bis 39 Prozent der Ehen geschieden, d.h. jede dritte Ehe, an manchen Orten sogar die Hälfte der Ehen.

Die Gründe kennt Ulrich Schmidt-Denter, Professor für Entwicklungspsychologie, nur zu gut. Der Experte wurde von Friederike Invernizzi für „Forschung-und-Lehre.de“ zur Frage „Woran scheitert die Liebe?“ interviewt (1).

Danach seien Scheidungen heute nicht mehr so stark mit einem Stigma verbunden. Ehepartner und Kinder müssten nicht mehr befürchten, gesellschaftlich ausgeschlossen zu werden. Darüber hinaus können viele Frauen sich heute finanziell unabhängig(er) fühlen.

Heute hänge demnach die Kontinuität einer Beziehung weniger vom äußeren Druck ab – wie von religiösen Werten, sozialer Ächtung, finanzieller Abhängigkeit – als von der inneren Zufriedenheit beider Partner.

Und was macht glückliche Pärchen aus? Sie zeigen gegenseitiges Verständnis, kommunizieren konstruktiv, können gut mit Stress umgehen, können sich immer wieder in einen positiven Zustand versetzen. Sie arbeiten Alltagsroutinen reibungslos ab oder haben Kinder, Haushalt, Familieneinkommen und andere Aufgaben klar einem der beiden zugeordnet.

Kommunikation ist wesentlich für die Beziehung

Ein wichtiger Indikator für langfristige Beziehung ist laut Experten wie dem amerikanischen Psychologen John Gottmann, wie das Paar miteinander kommuniziert. Ulrich Schmidt-Denters nennt aus der Gottmann’schen Forschung fünf Arten der Kommunikation, die Beziehungen zum Scheitern bringen : ständige Kritik, regelmäßige Herabwürdigungen, häufiges Abblocken, Schuldabweisungen und Machtdemonstration.

Zum Abblocken können auch falsche Versprechungen, Ghosting und Sich-nicht-melden gezählt werden. Natürlich kommen solche Arten der Kommunikation in allen engen Beziehungen hin und wieder vor. Aber nur wenn sie im Verhältnis 1:5 durch positive Kommunikation ausgeglichen werden, scheinen die Paare dennoch glücklich miteinander zu bleiben.

Zuletzt werde der „Liebescocktail“ für ein gutes Match noch durch ähnliche Wertvorstellungen und Überzeugungen vervollkommnet. Dazu zählt beispielsweise Glaubenssätze wie: „Zu einer guten Beziehung gehören (keine) Kinder“.

Sich ehrlich fragen, was man in der Liebe braucht

Abgesehen von ersten Problemen des Onlinedatings – wie zunächst fehlendem Bauchgefühl oder einer Distanzbeziehung – ist der Suche nach der passenden zweiten Hälfte durch das Internet kaum noch eine Grenze gesetzt. Das sollte vorsichtig und pragmatisch angegangen werden. Wer sich authentisch verhält, ehrlich ist, pragmatisch vorgeht und sich selbst und das Gegenüber gut einschätzen kann, hat gute Chancen, einen passenden Partner zu finden

Folgende Fragen zur Selbsteinschätzung können dabei helfen: Wer bin ich aufgrund meiner Persönlichkeit und meiner Vergangenheit, und wen brauche ich an meiner Seite? Was habe ich für Werte und ethische Grundsätze, auf die ich nicht verzichten kann?

Wie kann ich langfristig leben und wie nicht? Was würde mich regelmäßig überfordern? Kann ich mit einem Menschen leben, der beispielsweise Kettenraucher ist oder die wenig Freude am Berufsleben zeigt und mir später womöglich die Versorgungsrolle zuweist?

Zeigen sich im Austausch mit dem Mann oder der Frau meiner Träume wirklich kaum destruktive Kommunikationsweisen? Fühle ich mich geschätzt oder zuweilen „klein gehalten“, werde ich Ernst genommen und werden meine Bedürfnisse und Wünsche respektiert?

Dann gilt es noch, sich mit recht pragmatischen Fragen zu konfrontieren: Kann ich meinen Beruf, meinen Wohnort, meine Familiennähe und den Freundeskreis für Mr. oder Mrs. Right verändern, oder suche ich lieber im nahen Ortsbereich? Liegen mir Menschen eines Personenkreises, mit dem ich sonst nicht viel zu tun hatte? Fordert der andere, dass ich sie oder ihn bei den Freizeitaktivitäten stets begleiten muss oder werden genug Freiräume gelassen?

Auch Fragen zur Fremdeinschätzung sind notwendig: Was sagt mein Bauchgefühl? Passen sämtliche Informationen, die ich vor, während und nach den Dates erhalte, zusammen? Gibt es Ungereimtheiten? Scheint mein Gegenüber ehrlich und authentisch zu sein?

Reagiert der andere abweisend, mauernd oder sogar destruktiv, wenn seine Wünsche nicht sofort erfüllt werden? Wie steht das Gegenüber zu den persönlichen Lebenszielen? Gibt es da gerade bei „Beziehungskiller-Themen“ wie Kindern, finanzielle Absicherung, Wohnform, Urlauben ähnliche Einstellungen und Bedürfnisse?

Dann sollte unbedingt noch einen Blick auf den Umgang des Gegenübers mit seiner Familie und seinen Freunden (zu eng, zu sporadisch, zu abhängig, zu unreif) und mit Geld gelegt werden (zu freigebig oder zu geizig)? Wichtig ist es, sich nichts vorzumachen: Kein Mann und keine Frau ist für den Zukünftigen perfekt. Ungünstige Charakterzüge lassen sich nicht ändern.

Partnerhopping verhindert Beziehungen, die tragen

Bei der Partnerwahl scheint sich ein Trend zur Kommerzialisierung zu verfestigen. Viele meinen, weil sich diverse Kandidaten problemlos wegwischen lassen, sei ihrer Kontaktanbahnung keine Grenzen gesetzt. Wird man unzufrieden, scheint besserer Ersatz nicht fern.

Gerade die „Es ist ein Match“-Funktion von Tinder & Co suggeriert schließlich, ein Algorhithmus würde den passenden Partner besser filtern als die eigene Intuition und Erkenntnis. Was in heutigen Zeiten ebenfalls nicht vergessen werden darf: Liebe wird mit den Jahren im besten Falle schöner, reifer, verbundener und zärtlicher. Es kann Jahrzehnte dauern, bis eine Liebe die Tiefe und Qualität erreicht hat, die wir uns erhoffen.

Das Partnerhopping verspricht, endlich einmal wieder ein Bauchkribbeln zu verspüren oder gesehen und gehört zu werden. Davon darf man sich nicht täuschen lassen, wenn man eine langfristig tragfähige Beziehung sucht.

Doch klar ist auch: Der Mensch, mit dem wir jahrzehntelang durch’s Leben gehen, hat durch seine ständige Anwesenheit die unterschwellige Macht, selbst die persönlichsten Entscheidungen unwissentlich zu beeinflussen. Dessen sollten witr uns bewusst sein

Man mag sich selbst für gefestigt und stabil halten, ein depressiver Partner könnte beispielsweise auf seine Partnerin abfärben. Dies erlebte eine junge Frau, die durchaus kinderlieb schien. Durch häufige Gespräche mit ihrem Partner über die unheilvolle Welt begann sie mit den Jahren offenbar an ihrem Kinderwunsch zu zweifeln.

Kaum hatte sie einen passenderen Lebenspartner gefunden, heiratete sie und gebar ein Kind. Ihre Bedenken von früher schienen sich mit dem richtigen Partner an ihrer Seite in Wind aufgelöst. Das Beispiel zeigt: Gerade in Bezug auf Lebensplanung, Wesenszüge und ethisch-moralische Grundeinstellungen sollte man die Menschen, die in die engere Wahl kommen, auf Herz und Nieren prüfen.

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Foto: privat

Maria Köpf arbeitet als Journalistin und Dozentin in Klagenfurt. Sie hat Germanistik und Judaistik studiert und schreibt u.a. für Magazine wie die Amira, den Wissenschaftsladen Bonn, Natur & Heilen, Ethik heute und das AVE-Institut. Sie schreibt über Bildung und Beruf, Gehirn und Gesellschaft und Achtsamkeit als Selbst- und Beziehungskompetenz. Sie lebte einige Zeit in Israel und in Spanien. Maria Köpf stammt aus Berlin und lebt heute mit ihrer Familie in Kärnten/Österreich. Mehr über sie auf www.mariakoepf.com

(1) Quelle: https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/woran-scheitert-die-liebe-4111/

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